Kapitel 2

 

Dann ging es an Bord eines Frachters. 

Auch dieser Teil der  Reise unterschied sich deutlich von den bisher gemachten Erfahrungen. Zwar entsprach auch dieses Raumschiff absolut nicht dem aktuellen Stand der Technik, aber die Besatzung hielt ihr Schiff dennoch gut in Schuß und der Captain hatte sogar einen Replikator zur Fertigung von Ersatzteilen angeschafft, was die verlorene Zeit in Reparaturdocks auf das absolute Minimum reduzierte. Wie auf der ersten Reise mit einem freien Händler wollte Chandron sich mit dem Ingenieur im Maschinenraum einigeln, nur gab es kein Individuum in dieser Position. Stattdessen packte jeder dort an, wo er gerade gebraucht wurde, auch der Captain war sich nicht zu fein, ölverschmierte Maschinenteile anzufassen. Die Händler sironischen Ursprungs hatten die traditionelle Clanfamilie ihrer Vergangenheit in eine lockere Gruppenehe umgewandelt, die auf prüderen Planeten eher als Bigamie ausgelegt worden wäre. In einem langen Gespräch mit diversen Mannschaftsmitgliedern erfuhr Chandron viel über diese besondere Form der Vielehe, die sich entwickelt hatte, um bei langen Reisen durch das All Prügeleien oder gar Morde unter der Mannschaft auszuschließen. Jeder lernte einfach alles, was er konnte, Frauen und Männer waren gleichberechtigt und hatten auch die gleichen Pflichten. Jeder machte die Arbeit, die er gerade für nötig erachtete und beseitigte sämtliche vorgefundenen Fehlfunktionen auf der Stelle selbst- außer er war dazu nicht in der Lage, dann wurde Hilfe angefordert. Irgendwie funktionierte das alles - auch wenn selbst die angesehensten Psychologen, Soziologen und Ökonomen nicht wußten, wie. Manche behaupteten, es läge an der Ignoranz gegenüber den sonst weit verbreiteten Tabus, wie Kleidungszwang, Monogamie oder Dienstränge, andere Theorien gingen dagegen noch wesentlich weiter an der Realität vorbei und die Sironer waren auch keine Hilfe - wozu über etwas nachdenken, daß man von klein auf kennt, das angenehm ist, funktioniert und kaum Probleme macht? Sollten sich doch diese verrückten Aliens das Hirn zermartern, wenn sie schon aus irgendwelchen komischen Gründen ihre eigenen, engstirnigen Systeme bevorzugten.

Das fast anarchisch zu nennenden Gesellschaftssystem wies viele Parallelen zur RogueFleet auf und auch die absolute Weltoffenheit gegenüber bisher unbekannten Denkweisen sowie die schnelle Akzeptanz neuer Ideen erinnerten an die Lebensgewohnheiten auf der Intrepid.

Diese Offenherzigkeit zeigte sich auch in der Freigiebigkeit mit Informationen, so konnte die beschauliche Reise auch der Vermehrung des Wissens dienen. Die angenehme Zeit näherte sich jedoch relativ schnell ihrem Ende, der nächste Teil der Reise fand auf einem etwas unterkühlten Schiff der Chgscht statt. Die wasserstoffatmende Spezies fand es zwar sehr interessant, Fremdrassen zu transportieren, machte jedoch keinerlei Zugeständnisse an deren Lebensumgebungen. Nach zwei Wochen im Raumanzug hatte Chandron zwar geistig noch lange nicht genug, körperlich allerdings die Nase voll. Die Ver- und Entsorgungseinrichtungen eines Raumanzuges waren für eine längere Benutzung weder konzipiert noch in irgendeiner Weise ausreichend. Immerhin konnte man im Gespräch mit dieser merkwürdigen Rasse sehr interessante Ansätze erlernen - sowohl in der Denkweise als auch im besonders anspruchsvollen physikalischen Bereich der Energiesysteme unter Wasserstoffatmosphäre und der Probleme mit der Diffusion des Gases.

Die letzte Etappe begann äußerst Überraschend. Ein noldanischer Scout materialisierte mitten im Warpflug innerhalb der Warpblase des Chgscht-Schiffes, dockte an und holte Chandron an Bord. Anschließend wurde der direkte Effektbereich des Warpantriebs auf irgendeine Weise wieder verlassen, und das vertraute Bild des Normalraums erschien auf den Schirmen. Chandron steckte immer noch in der Luftschleuse fest. Die Sensoren seines Raumanzugs zeigten auch nach mehreren Minuten noch immer keine atembare Atmosphäre an. Fast eine halbe Stunde später strömte endlich Luft in die Schleuse und der übliche Dekontaminierungsvorgang begann. Als die Innentür schließlich aufging waren blinkende Pfeile am Boden zu sehen. Es schien nur logisch, diesen Hinweisen zu folgen und so erreichte der Reisende sein zugewiesenes Quartier.

Keine fünf Minuten später fetzte sich Chandron den Raumanzug vom Körper und sprang unter die Dusche. Bisher hatte sich noch keiner seiner neuen Gastgeber gezeigt und er wollte die Zeit nutzen, um wenigstens halbwegs zivilisiert dazustehen, sobald man geruhte, sich mit ihm zu beschäftigen. Außerdem mußte er dringend über das soeben Erlebte nachdenken. Offiziell war es unmöglich, ein anderes Schiff im Warptransit anzugreifen - oder sich auch nur auf dessen Realitätsvektor zu begeben. Irgendwie hatten es die Noldaner geschafft eine Technik zu entwickeln, die den gesamten Raumkampf vollkommen revolutionieren könnte. Wenn man auch nur einen mittleren Torpedo mit dieser Technologie ausrüsten könnte, wäre die Flucht vom Kampfschauplatz per Warpsprung vollkommen sinnlos geworden. Kaum hatte er sich angezogen, als auch schon das Türsignal ertönte.

Chandron gab die Erlaubnis zum Eintreten und stand zum ersten Mal in seinem Leben einem Noldaner gegenüber.

"Ich bin Schiffspilot Niol Detelim, Deine zugeteilte Kontaktperson. Ich werde Dich in den nächsten Wochen auf Deine Lehrzeit auf Noldan vorbereiten. Bevor diese Ausbildung nicht abgeschlossen ist, hast Du nur sehr eingeschränkte Rechte und bist mir unterstellt. Im Gegenzug wird man mich für alle Deine Handlungen voll verantwortlich machen, sofern sie einer von mir verschuldeten Unkenntnis entspringen. Um derartigen Ärger zu minimieren, bleibst Du bis auf Weiteres in Diesem Quartier. Hast Du dies alles verstanden, oder bevorzugst Du eine andere Sprache?"

Chandron rekapitulierte kurz Niols Rede, untersuchte sie auf eventuelle Unklarheiten und versuchte, sich alles zu merken. "Ich fasse zusammen: Quartier nicht verlassen und auf weiterführende Ausbildung warten.Unterricht durch Dich, vorerst keine weiteren primären Aufgaben. Erweiterung meiner Rechte erst nach erfolgreichem Abschluß des Unterrichtes.Voraussichtliche Dauer mehrere Wochen."

Der Pilot nickte.

"Exakt. Die Dauer unserer Reise ist übrigens direkt von Deinem Lernerfolg abhängig. Wir haben mehrere getrennte Familienpartner an Bord, die sehr gerne wieder nach Hause wollen, also bemühe Dich gefälligst."

Innerlich stöhnte Chandron auf. Ein ganzes Schiff voller Personen, die ihn direkt für jede SekundeVerzögerung bei der Rückkehr zu ihren Familien verantwortlich machen würden. Irgendwie hatte er sich den Empfang auf dem `primitiven´ Planeten deutlich entspannter vorgestellt, obwohl sein Großvater die Noldaner öfters ´die Erbsenzähler unserer Allianz´ genannt hatte.

Die grundlegenden Informationen, die ihm von Niol am ersten Tag vermittelt wurden, vergrößerten Chandrons Sympathie für die Noldaner auch nicht gerade. Alle Individuen, die Chandrons Ausbildung anstrebten, wurden grundsätzlich mindestens eine Woche lang auf einem Schiff der Chgscht von einem noldanischen Agenten überwacht. Gleichzeitig wurde ihr Lebenslauf einer gründlichen Überprüfung unterzogen. Chandrons Reise auf dem Schiff der Wasserstoffatmer war vor Allem deswegen so lang ausgefallen, weil sowohl die Intrepid als auch die celarionischen Verantwortlichen ihrerseits erst einmal Informationen über die noldanische Anfrage eingezogen hatten und die Informationen eine relativ große Entfernung zurückzulegen hatten.

Um die Verbindung zwischen den Chgscht und Noldan zu verschleiern, wartete mindestens ein Kurierschiff oder -wie in diesem Fall- ein schwerer Aufklärer an einem beliebigen Punkt auf dem extrapolierten Kurs der Chgscht. Sobald das erwartete Schiff vorbeikam, startete der wartende Noldaner seinen Warpblasenangleicher. Um das Schiff wurde also ein parasitäres Resonanzfeld gelegt, daß die Schwingungsfrequenzen der Chgscht-Warpblase dazu anregte, sich auszuweiten und den Anhalter mit in den Effektbereich zu reissen. Der unbestreitbare Vorteil dieser Methode lag vor Allem darin, daß kein Außenstehender von ihr wußte. Abgesehen davon konnten auch irgendwelche Spionageschiffe bestenfalls eine leichte Fluktuation im Antriebsfeld des angezapften Schiffes feststellen - jedoch keinen Halt und keinen externen Antrieb. Man konnte also unbemerkt Personen und Material in den noldanischen Machtbereich hinein- und hinausschmuggeln. Chandrons langer Aufenthalt in der Luftschleuse diente hingegen deutlich unfreundlicheren Zwecken. Erkannte Spione wurden bei nächster Gelegenheit mitten im Weltraum rausgeworfen - nachdem man ihnen den Anzug punktiert und mit Säure vollgepumpt hatte, um auch eventuelle Aufzeichnungsgeräte zu vernichten. Meistens wurden die Überreste dieser Personen dann auch gleich in der nächsten verfügbaren Sonne entsorgt.

Der Grund für die enge, fast schon verschwörerische Zusammenarbeit zweier Planeten, die sich auf  beinahe entgegengesetzten Seiten des Föderationsraums befanden war Chandron noch recht unverständlich. Auch die Gründe der Chgscht für ihre Mitarbeit waren ihm noch nicht richtig klar, dennoch beendete Niol die erste Unterrichtseinheit. Erst als sich die Tür hinter dem Piloten geschlossen hatte, bemerkte Chandron seine Müdigkeit. Ein Blick auf das Schiffschronometer zeigte den Grund: 10 Stunden andauerndes Lernen. Mit äußerster Willensanstrengung würgte er noch ein paar Nahrungsrationen hinunter, warf seine paarHabseligkeiten in die Schränke und fiel ins Bett.

Im Laufe der nächsten Tage arbeiteten Lehrer und Schüler einen effizienten Stundenplan aus. Langsam begriff Chandron die weiteren Zusammenhänge in dieser merkwürdigen, versteckten Allianz. Celarion entwickelte Energiewaffen - nach außen hin. Inoffiziell ging es haupsächlich um die Perfektionierung von Energieleitungen und Energiespeichern, Umrichtern und Regulatorkomponenten.

Die Chgscht testeten die celarionischen Prototypen in der extremen Umgebung ihrere Raumschiffe und brachten die erfolgreichen Technologien nach Noldan. Noldan entwickelte nach außen hin Metallegierungen und nichtenergetische Waffen, stellte jedoch im Geheimen unglaublich leistungsfähige Nanobots und -sonden her. Die offiziell für die Klingenwaffen optimierte Metallurgie und Kristallforschung warf als geheimes Nebenprodukt Hochtemperatur-Supraleiter, semiintelligente Werkstoffe und universell mit Logikgattern programmierbare Molekülketten ab. Sowohl offiziell als auch im Geheimen nutzte man besonders widerstandsfähige Legierungen auch für die Konstruktion von Raumschiffen und anderen gepanzerten Fahrzeugen. Alle drei Mitglieder der Deran Th´ra (´Ich will (Dich) nicht töten´ - der offizielle Gruß unter Angehörigen der drei Völker)- Allianz verfolgten mit dem Ausbau des technischen Fortschritts fernab der eingefahrenen Pfade der etablierten Machtböcke das Hauptziel, im Falle einer Erpressung oder Bedrohung eines der Mitglieder ein Gleichgewicht des Schreckens als direkte Reaktion aufbauen zu können. Gerade die Chgscht hatten jedoch regen Anteil an der Hauptmotivation der drei Völker.

Vor einigen tausend Jahren hatten sie durch Mißbrauch ihrer Waffentechnik ihren Heimatplaneten vernichtet. Seitdem war der Großteil des Volkes im Gedenken an das Verlorene zu Weltraumnomaden geworden, die im ganzen Universum nach untergegangenen Kulturen forschte, die ihren Niedergang oder gar ihr Auslöschung selbst verschuldet hatten. Diese Art der Archäologie brachte immer wieder ´neue´ Denk- und Forschungsansätze, die von allen drei Partnern in die aktuellen Forschungen mit einbezogen wurden. Die verräterischen Spuren und Hinweise auf die untersuchten Artefakte wurde sorgfältig verfälscht oder vernichtet, um den nochmaligen Mißbrauch dieses Wissens zu verhindern. Im rein logischen Aufrechnen der potentiellen Opfer eines Mißbrauchs dieser Forschungen erklärte sich nun endlich die scheinbare kalte Effizienz bei der Tötung von Spionen auf Noldan. Im Gegensatz zu Celarion hatte der Planet offiziell keinerlei Verwendung für bestimmte Sorten von Hochtechnologie.

Ein entsprechend gegenteiliger Bericht würde mindestens zu Mißtrauen, im Extremfall jedoch zu einer militärischen Auseinandersetzung führen, die einen intergalaktischen Krieg hervorbringen könnte. Nach diesem riesigen Paket an tödlichen Informationen wurden Chandron als Nächstes der noldanische Ehren- und Schweigekodex sowie die für alle Individuen gültigen Richtlinien eingebleut.

Auch hier machte sich die kalte Effizienz der ´Erbsenzähler´ bemerkbar. Je höher der gesellschaftliche Rang eines Individuums, desto umfangreicher der Zugriff auf Geheimdaten, desto härter aber auch die Strafe für ein noch so geringes Vergehen. Im Laufe der folgenden Wochen erlangte Niol Detelims Schüler die weitergehenden Individualrechte, als sein Lehrer in einer kurzen, öffentlichen Mischung aus Prüfung und Aufnahmezeremonie von seiner Verantwortung losgesprochen und für seine Arbeit geehrt wurde. Kurze Zeit später begann Chandron damit, weiteren Mannschaftsmitgliedern bei ihren Tätigkeiten zuzusehen und nach Möglichkeit seine Kenntnisse zu erweitern.

Einige Schlafzyklen später erreichte man Noldan.

Die nächsten Wochen wurden deutlich angenehmer, als der Aufenthalt an Bord des Scouts vermuten ließ. Wieder begann man mit grundlegenden Situationsinformationen, die jedoch deutlich Umfangreicher waren, als die zusammengefaßten Materialsammlungen an Bord. So erfuhr Chandron auch von den weitreichenden Handelsnetzwerken zu allen bekannten Machtblöcken mitsamt den zugehörigen Bestechungsmodalitäten.

Auch die paranoide Grundhaltung an Bord der Zubringerschiffe erfüllte einen Zweck. Mit dem auf die potentiellen Auszubildenden ausgeübten Druck testete man deren psychische Belastbarkeit. Der Umfang des Zugriffs auf sensible Daten wurde an das Testergebnis angepaßt. Und selbst die Ungeduld der Schiffsmannschaften fand eine logische Erklärung: Die bewußte Aufrechterhaltung der Paranoia ging auch ihnen an die Nerven, weswegen sie sich natürlich umso mehr auf die Beendigung des Einsatzes freuten. Nach Abschluß dieser Unterrichtseinheit ließ man die Schüler entsprechend ihrer Sicherheitseinstufungen verlegen. Chandron bekam eine ausreichende Einstufung zur Teilnahme an einem Nanotechnikseminar.

Die erste praktische Erfahrung durfte er an seinem frisch erworbenen celarionischen Meistersiegel erleben. Immerhin 27 Nanosonden tummelten sich auf dem hart errungenen Abzeichen. Zwei davon waren mit persönlichen Aufzeichnungen für Chandron gefüllt. Die eine davon enthielt sogar holografische Informationen, um ihm die im Vergleich zur Größe enorme Datenkapazität der mikroskopischen Geräte zu demonstrieren. Die anderen enthielten sowohl Legitimationsdateien als auch die gesammelte Korrespondenz der celarionischen Waffenmeister an ihre noldanischen Kollegen. Fast ein Jahr später wechselte Chandron zur Werft für Kampfgleiter, Offensivshuttles und Bomber. In dieser Zeit beteiligte er sich maßgeblich an den grundlegenden Design- und Konstruktionsspezifikationen für einen höchst wendigen und aggressiven neuen Kampfgleiterprototyp.

Die vollständige Neuentwicklung der bisher eher für den Nahkampf konzipierten Deggonar-Klasse war als erstes Einmannkampfschiff mit dem noch hochgeheimen Warpblasenangleicher ausgerüstet und beherbergte in den extrem miniaturisierten Waffenschaltkreisen genügen unkonventionelle Feuerkraft, um auch bis dahin aussichtslose Angriffstaktiken deutlich erfolgversprechender aussehen zu lassen und im taktischen und strategischen Planungsbereich völlig neue Möglichkeiten zu eröffnen. Als Dank für die tatkräftige Mitarbeit durften sich die elf Teammitglieder, die sich beim Bau der Prototypen besonders engagiert hatten, ihren speziellen Kampfgleiter nach eigenen Ideen herstellen und ausrüsten.

Einzige Bedingung war die Rücksendung der Sensorenlogs und Belastungsmuster innerhalb des ersten Betriebsjahres.

So kam es, daß Chandron im eigenen Raumschiff zur nächsten Station seiner Ausbildung flog. Schon im Landeanflug zeigte sich die Schmiede deutlich altertümlicher als die anderen Ausbildungsstätten. Direkt nach der Landung und dem Beziehen des Quartiers begann eine weitere Grundlagenausbildung. Diesmal jedoch hatte man eher primitive Themen in rustikaler Umgebung im Programm. Anstelle der Mikromanipulatoren und Entwicklungscomputer arbeitete man hier mit Kohle, Roherz, Blasebalg, Hammer und Amboß. Die ersten Tage waren allein schon wegen der körperlichen Umstellung sehr anstrengend. Zusätzlich bestand der übellaunige Lehrer aber auch noch darauf, daß seine Schüler sich Schmelzpunkte, Legierungsverhältnisse und Schmiedetechniken merkten. Fünf harte Jahre später hielt Chandron sein zweites Meistersiegel in den Händen. Es wurde ihm gestattet, an weiteren Kursen in fortgeschrittener Waffentechnik teilzunehmen. Mitten in einer Vorlesung über die Probleme bei der Kalibrierung von Partikelstrahlern drang jedoch das seit frühester Kindheit gewachsene und gepflegte Interesse für Improvisationen und Primitivtechniken durch. Nur mit Mühe beendete er den Studiengang, um dann mit maximaler Geschwindigkeit zum nächsten Ausrüstungshangar durchzustarten. Dort angekommen unterzog er seinen Kampfgleiter derartig starken Modifikationen, daß man genausogut von einer kompletten Neukonstruktion hätte reden können.

Der noldanische Bund der Waffenschmiede unterstützte sein neuestes Mitglied vorbehaltlos.

Zwar verlangte dieses Vorhaben enorme Mengen an hochspezialisierten Baugruppen, doch brachten die gewonnenen Anregungen und Erkenntnisse so manches ins Stocken geratene Projekt wieder ins Rollen.

Nach sieben Monaten angestrengten Herumbastelns an den Systemen seines Deggonar-Kampfgleiters erreichte eine Datensonde mit erfreulichem Inhalt Chandrons Bastelwerkstatt. RogueFleet war als vertrauenswürdiger Handelspartner an die Deran-Th´ra-Allianz angeschlossen. Die Intrepid als Vorreiter der Bewegung wurde sogar direkt am Entwicklungsprozeß beteiligt, sodaß jetzt auch unzensierte und technisch unbeschränkte Kommunikation mit allen alten Freunden möglich war. Das Datenaufkommen der Forschungs- und Entwicklungsabteilungen hatte sich durch diese Öffnung beinahe verzehnfacht, fast alle aktuellen Projekt erfuhren eine signifikante Verbesserung ihrer Fortschrittsraten.

Und trotzdem mußte all dies noch immer vollkommen geheim gehalten werden. Ein halbes Jahr nach diesen Vorfällen begab sich Chandron zusammen mit ehemaligen Studienkameraden und einigen erfahrenen Individuen auf eine Geheimexpedition in ein neu entdecktes System. Die Sonne hatte trotz ihres relativ geringen Alters den Großteil ihres Plasmas verloren, alle Planeten, sofern sie nicht auseinandergebrochen waren, besaßen eine verschmolzene, teilweise sogar glasierte Oberfläche. Die Forscher trafen durch die vollkommen ineinandergelaufenen Oberflächenschichten auf unüberwindliche Schwierigkeiten. Eine eindeutige Klassifizierung der molekularen Schichten war nicht mehr möglich. Schließlich suchte man mit einem umgebauten Massetaster nach künstlich erscheinenden Hohlräumen in den Kontinentalschollen und schnitt mit einem Gemisch aus Phaser und Traktorstrahl Kegelsegmente aus den Planeten, die in den stationären Orbit gezogen und dort untersucht wurden.

Als auch nach mehreren Wochen noch keine Spuren einer untergegangenen Zivilisation zu finden waren, wollte der Expeditionsleiter die geringen, uralten Hinweise schon ignorieren, die erst zu diesem Unternehmen geführt hatten. Dennoch gestattete er einen letzten Versuch. Mit Hitzestrahlern wurde ein Schacht in den Planeten gebohrt, die entstehenden Gase wurden per Traktorstrahl erfaßt und ins All gesogen, während die Sensorenphalanxen und Signalprozessoren unter Höchstleistung liefen. Als der erste Planet durchbohrt war, wurde der Nächste angeflogen und ebenso behandelt. Eine weitere Woche verstrich, die Motivation war auf dem absoluten Nullpunkt angelangt und trotzdem wurden keine kritischen Stimmen laut. Zwar waren die von den Chgscht gefundenen Hinweise diesmal von geradezu unerhörter Eindeutigkeit gewesen, aber die Chance auf einen Treffer war dennoch extrem gering. Trotzdem würde man erst dann das System verlassen, wenn wirklich alle Möglichkeiten überprüft worden waren.

Beim dritten Planeten wurde man endlich fündig. Die mit den Scannern gekoppelte Overrideschaltung deaktivierte den Hitzeprojektor und ließ den Abraum vom Traktorstrahl am Schiff vorbei aus dem direkten Sensorenbereich hinaus befördern. Sonden wurden abgeschossen und automatisierte Analyseprozesse liefen an.

Chandron verschlief das große Ereignis. Als er seine Wache antrat, hatte man schon mit der Suche nach Eingängen in die Basis im Planetenkern begonnen.Nach drei Tagen und 20 Nebentunnels gab man auf und begann, durch die zähe Außenhaut der gefundenen Basis zu schneiden. Die synthetische Kristallkeramik erwies sich als dermaßen widerstandsfähig, daß die ersten Proben des Materials schon im Werkstofflabor untersucht wurden, noch bevor irgendein nennenswerter Fortschritt erzielt worden war.

Man versuchte es mit allen Arten von Energieprojektoren, ging dann jedoch dazu über, eine kreisförmige Vertiefung in die Oberfläche zu schmelzen und mit einem überstarken Traktorstrahl das eingekreiste Wandsegment einem extremen Zug auszusetzen. Als auch das nichts brachte, fokussierte man den Zugstrahl auf die Mitte des Kreises und bombardierte die Vertiefungen und die Oberfläche mit Schockgranaten. Endlich zeigte sich anhand der Resonanzscans, daß das unglaublich zähe Material submolekulare Ermüdungserscheinungen aufzuweisen begann. Je weiter die Materialermüdung um sich griff, desto schwächer dosierte man das Bombardement, bis endlich nach mehr als einer Woche das gequälte Material ruckartig nachgab und der Traktorstrahl sein Zielobjekt ins All riß. Die Wandstärke von knapp vierzig Metern erklärte den verhältnismäßig großen Aufwand, den man hatte betreiben müssen. Alle Beobachter waren zuerst vor Staunen erstarrt, fingen sich jedoch nach einigen Augenblicken und bereiteten in fieberhafter Eile den Abstieg in die unbekannten Tiefen vor. Zwei leichte Kreuzer mit modifizierten Systemen drehten ab, um Meldung zu machen, ein Warnsystem am Rande des Erfassungsbereichs der Sensoren zu installieren und die energetischen Abstrahlungen der Expedition mittels spezieller Dämpfungssatelliten zu absorbieren.

Mehrere Monate vergingen, in denen keiner der Expeditionsteilnehmer irgendeine Art von Freizeit hatte. Dann waren endlich die Grundstrukturen der fremden Sprache entschlüsselt und ein großer Teil der Alientechnologie erforscht. Speziell die Verwendung von synthethischer Kristallkeramik und analoger Computer versetzte die beteiligten Wissenschaftler in Erstaunen. Weniger bewundernswert waren jedoch die Gründe für die Auslöschung das alten Volkes. Religiöser Wahn hatte die H´Siffan dazu geführt, alle ´Ketzer´ - also die Kolonisten ihrer eigenen Rasse auf der Nachbarwelt - mit dem ´heiligen Sonnenfeuer´ zu ´reinigen´. Nur hatten die ´Rechtgläubigen´ nicht damit gerechnet, daß ihr ´Naskur-Detonator´ wesentlich effizienter war, als zunächst angenommen. Stattdessen hatten sie ohne weitere Nachforschungen den Prototypen der Waffe gezündet, das Heißplasma ihrer Sonne abgesaugt und auf den Bruderplaneten geschleudert. Da jedoch zuviel Plasma in einer Richtung aus der Sonne gerissen wurde, sorgten die Tidenkräfte dafür, daß auch die gegenüberliegende Seite der Sonne Unmengen des tödlichen Stoffes auf die Reise schickte und damit die wahnsinnigen Mörder mit den Nebenwirkungen ihrer eigenen Waffe vernichtete. Die gefundene Basis war der letzte Zufluchtsort eines sterbenden Volkes, deren letzte Überlebende durch die harte Sekundärstrahlung der selbst verschuldeten kosmischen Katastrophe verseucht oder sterilisiert worden waren.

Die Expedition widmete sich nach diesem Fund mit doppeltem Eifer ihrer Aufgabe. Auch das letzte bißchen Daten, die allerkleinsten technischen Artefakte und sogar die Musik- Film- Kunst- und Tagebuchdateien der vernichteten Rasse - alles wurde konserviert, kopiert und mehrfach aufgezeichnet. Ein kompletter Frachtkonvoi, randvoll mit verschlüsselbaren Speicherkristallen traf wenige Tage später ein. Weitere Monate verstrichen, in denen auch die letzten geheimen Hangars, Abschußrampen und Versorgungsdepots auf den Überresten des Planeten gefunden wurden. Nachdem auch hier alles erforscht worden war, wobei die mittlerweile eingetroffenen Hilfsexpeditionen unschätzbar wertvolle Arbeitskraft beisteuerten, installierte man eine Atombrandbombe mit Fernzündung und verließ die tote Felskugel. Auch der zuerst vernichtete Kolonieplanet wurde ebenso nach Wissen abgegrast und mit einer baugleichen Bombe versehen. Der abschließende Scan des Systems zeigte noch eine große Menge der h´siffanschen Kristallkeramik in einem Asteroidenfeld. Als auch diese ausgestorbene Basis vollkommen ausgeräumt wurde, stellte man fest, daß sie ehemals im Kern eines von den Gezeitenkräften zerbrochenen Planeten erschaffen worden war. Auch hier installierte man die Bombe, dann sammelte sich das Expeditionsgeschwader am Rand des Systems und sammelte die Frühwarn - und Absorbersatelliten ein.

Als das Funksignal die irreversiblen Atombrände startete, breitete sich auf allen Schiffen Stille aus.Zwei Stunden lang sprach niemand ein Wort, bis auch das letzte Zeugnis dieser Tragödie verglüht war. Dann machte man sich vorsichtig auf den Heimweg.

Einige Wochen und diverse Umwege später erreichten die Schiffe endlich ihr heimatliches Raumdock. Die Daten der Neuankömmlinge wurden den Vorabberichten hinzugefügt und die Sichtung, Analyse und Sortierung der riesigen Informationsmenge begann. Da RogueFleet mittlerweile als vollwertiges Mitglied in die Allianz integriert war, bereitete man einige tausend Nanosonden mit überdurchschnittlich großen Speicherbänken vor. Gleichzeitig nutzte man Chandrons Rückkehr auf die Intrepid als vorgeschobenen Grund für die Kontaktaufnahme und versteckte die vorbereiteten Nanosonden in den Primärschaltkreisen seines Kampfgleiters. Bei der Abreise wurden ihm noch besonders präparierte Datenkristalle übergeben, die jedoch keine sensiblen Daten enthielten und nur zur persönlichen Befriedigung eventueller Spione dienen sollten.

Trotz der langen, harten Jahre fiel Chandron der Abschied erstaunlich schwer. Nicht nur die Gewöhnung an eine neue Umgebung spielte hier hinein, auch die gemeinsame, kreative Arbeit mit Gleichgesinnten war trotz der hohen Anforderungen an jeden Einzelnen äußerst interessant gewesen. Nachdem er sich von seinen Kollegen verabscheidet hatte, stieg Chandron in seinen Kampfgleiter, sprach den Kurs mit dem wartenden Chgscht-Kreuzer ab und aktivierte den Warpblasenangleicher, als sein "Schleppschiff" in den Subraum sprang. Einige Tage später löste er sich in einem Föderationssystem vom Schiff der Wasserstoffatmer und nahm Kurs auf den zweiten Planeten. Da sein nächstes Schiff sich offenbar verspätet hatte, ersuchte er um Landeerlaubnis und  verbrachte einige langweilige Tage in der Unterkunft des Raumhafens.

Als endlich die erwartete Meldung des Föderationsschiffes eintraf, packte Chandron in aller Ruhe seine Sachen, beglich die angefallenen Kosten und stieg langsam ins Parkorbit. Dort angekommen wurde sein Mißtrauen schlagartig geweckt. Statt des erwarteten Versorgungsfrachters zeigten die Scanner das Bild eines Schiffes der Excelsior-Klasse. Irgend jemand an einer verflucht hohen Stelle entwickelte langsam ein ungesundes Interesse.

Chandron kam gar nicht erst dazu, sein Schicksal mit anschaulichen Worten zu bewerten. Kaum hatten seine Sensoren die IFF-Kennung des Föderationsschiffes ermittelt und dechiffriert, als auch schon das Rufsignal über die Standardfrequenzen hereinkam. "Hier ist die USS Hood NCC - 42296. Bitte identifizieren Sie sich und nennen Sie Ihre Absichten."

Na schön. Offenbar wurde es Zeit, den potentiellen Gegner ein wenig zu beeindrucken."Waffenschmied Chandron S´Garrath. Träger des celarionischen und des noldanischen Meistersiegels. Ich befinde mich auf der Suche nach einem Frachter, der mich gemäß der getroffenen Absprachen samt Gepäck an die Grenze des tholianischen Raumes bringen sollte. Offenbar hat er ein wenig Verspätung. Wenn sie mir Ihre Orbitalvektoren hochladen, kann ich meinen Suchkurs entsprechend modifizieren."

"Das wird nicht nötig sein. Der von Ihnen gebuchte Frachter ist bedauerlicherweise in einen schweren Ionensturm geraten und dürfte für mindestens drei Monate im Dock festhängen. Um eventuelle Mißstimmungen zwischen der Föderation und ihren Vertragspartnern zu vermeiden hat man uns als Ersatz hierherbeordert."

"Ich verstehe. Dennoch kommt mir die Verschwendung von derartig viel Feuerkraft für einen simplen Frachtauftrag ein wenig ... ineffizient vor."

"Bedauerlicherweise waren wir das einzige Schiff mit genügend Kapazität gemäß dem Frachtvertrag, das gerade ohne wichtigeren Auftrag in Reichweite war. Wir können sie natürlich sofort an Bord beamen, brauchen dann aber noch grobe Angaben über ihr Gepäck. Umgerechnet 47 Kubikmeter wurden nach meinen Aufzeichnungen angemeldet. Ist diese Angabe korrekt?" Nach kurzer Rechnung konnte Chandron das bestätigen.

"Handelt es sich um einen zusammenhängenden Block, also zum Beispiel einen Container?" Der vorher eher dienstbeflissene Ausdruck des Kommunikationsoffiziers machte einer zunehmend unsicheren Miene Platz, als auf Chandrons Gesicht ein immer breiteres Grinsen durchbrach.

"Es handelt sich in der Tat um einen ´zusammenhängenden Block´ - nämlich meinen persönlichen Kampfgleiter. Die genauen Abmessungen können Sie sehen, wenn Sie aus dem Fenster gucken. Nur beamen würde ich ihn nicht -  das Energiesystem ist ein wenig... unsynchronisiert und eine Entmaterialisierung dürfte sich äußerst ungünstig auf die Betriebsparameter auswirken. Ich schlage vor, Sie weisen mir einen Landeplatz in Ihrem Laderaum oder im Shuttlehangar zu, den Anflugvektor kann ich auch selbst berechnen. Erfahrung mit dem Flug in Atmosphären liegen vor, die Triebwerksemissionen sind nicht radioaktiv oder sonstwie giftig  für Sauerstoffatmer. Notfalls kann ich auch mit dem gerichteten Antigrav ´reinkommen."

"Sie wollen ein komplettes, funktionsfähiges Waffensystem transportieren?"

"Erwarten Sie etwa, daß man auf Celarion Kinderspielzeug herstellt? Abgesehen davon sind sämtliche Bordsysteme ohnehin vollkommen wertlos, wenn ich sie nicht persönlich aktiviere." Der Kommunikationsoffizier tippte hektisch auf seinem PADD herum. Nach einigen Sekunden wurde er fündig.

"Laut Ihrer Transportgenehmigung haben sie diesen ´Kampfgleiter´ unter der Bezeichnung ´Deggonar- Prototyp´ angemeldet."

"Wo genau liegt dann das Problem?"

Das Gesicht des Föderationsmenschen durchlief einige interessante Farben und einige ebenso interessante Ausdrücke, bevor er sich auf eine leichte Röte in Verbindung mit einem beinahe wütenden Starren festlegte. "Sie haben ein raumtaugliches Waffensystem nicht als Solches deklariert! Ist Ihnen klar, daß wir sie ohne Weiteres festnehmen könnten ?" Jetzt gab es nur noch vier Möglichkeiten. Fliehen oder klein beigeben fielen schon mal weg. Auf einen direkten Angriff einer Excelsior war Chandron auch nicht sonderlich gut vorbereitet. Blieb also nur gnadenlos blasierte Frechheit übrig.

"Stellen wir doch einmal die Fakten fest: Erstens bin ich seit über acht Standardjahren auf Noldan, wo ich mit bürokratischem Schnickschnack glücklicherweise nichts zu tun hatte.Zweitens kann ich nichts dafür, daß Ihre eigenen Offiziere zu dämlich sind, angemeldete Neuentwicklungen zur Kenntnis zu nehmen oder zu unfähig oder arrogant, um bei totaler Unkenntnis eines Fachbegriffs einmal nachzufragen. Drittens habe ich nicht um ein lästiges und unnötig zeitraubendes Gespräch mit Ihnen gebeten, sondern über die noldanische Botschaft einen ordnungsgemäßen Frachtvertrag ausgehandelt. Und schließlich:" hier beugte sich Chandron vor und fixierte den bedauernswerten Offizier mit voller Intensität, "erinnert mich die aktuelle Situation ganz fatal an die üblichen Schweinereien, die die Föderation schon seit Jahrzehnten mit RogueFleet-Personal abzieht. Also wie wollen wir weiter verfahren ? Soll ich mir ´nen freien Händler bestellen oder erfüllt die Föderation AUSNAHMSWEISE einmal OHNE dieses bürokratische Sperrfeuer ihre BINDEND AUSGEHANDELTEN Verträge?"

Der offenkundig sarkastische Unterton war mittlerweile selbst für ungeübte Ohren deulich wahrzunehmen. Zwar verfärbte sich der Kommunikationsoffizier noch ein wenig mehr, er schaffte es aber trotzdem in einem halbwegs höflichen Ton den Kanal zu schließen, um den Captain zu befragen. Chandron wärmte inzwischen die Nachbrenner vor und programmierte eine Schildmodulation ein, die den typischen föderativen Traktorstrahl so gut wie wirkungslos machen würde. Mit dem Finger auf der Ausführungstaste wartete er auf die Reaktion des gegnerischen Captains. Nach einigen Minuten wurde der Kanal wieder geöffnet, diesmal war allerdings der zweite Offizier des Schiffs zu sehen. Interessanterweise handelte es sich hierbei um einen Andorianer. "Im beiderseitigen Interesse schlage ich folgende Modalitäten vor: Sie landen in Frachthangar 2, sichern die Systeme ihres Fluggerätes und sorgen dafür, daß wir das Gerät unfallfrei in ein Stasisfeld hüllen können, dessen Projektor sie selbst verschlüsseln. Dafür werden Sie sich dem Frachtraum bis zum Ende der Reise nicht nähern."

"Einverstanden. Laden Sie mir den Anflugvektor hoch und öffnen Sie die Schleuse, sobald Sie bereit sind." Der andorianische Offizier nickte knapp und veranlasste dann den Datentransfer. Kaum wurde der Bildschirm dunkel, als Chandron auch schon auf Kurs ging und direkt nach der Landung einige äußerst unangenehme Sicherheitsprogramme aktivierte. Anschließend trödelte er noch ein bißchen bei der "Deaktivierung" der Waffensysteme herum und programmierte noch ein paar hundert Nanosonden. Bald darauf begann der Stasisprojektor zu arbeiten. Für den sehr leistungsfähigen Schiffsrechner einer Excelsior-Klasse war der eingegebene Code natürlich leicht zu knacken, weswegen Chandron die soeben programmierten Nanosonden in die Tastatur eindringen ließ. Diese Miniatorroboter würden jedes Abschaltsignal blockieren, bis sie das passende Funksignal zur Selbstzerstörung erhielten. Eine der Sonden würde außerdem ein Schmalbandsignal abstrahlen, sobald das Stasisfeld zusammenbrach, eine andere war als Überwachungssensor für Manipulationsversuche abgestellt.

Die nächsten Wochen wurden psychisch sehr anstrengend. Zwar konnte sich Chandron des Gefühls nicht erwehren, daß zumindest der Andorianer auf seiner Seite stand, dennoch bemühte sich der Rest der Crew nach Kräften, ihren Frust über den sinnlosen und langweiligen Auftrag an ihrem unerwünschten Passagier auszulassen. Seltsam war allerdings die Tatsache, daß nach etwa einer Woche der Andorianer Chandron mit deutlich gesteigertem Respekt behandelte, was auch die Mannschaft verwirrte. Da kurz zuvor eine ganz bestimmte Nanosonde ein Signal abgestrahlt hatte, kombinierte Chandron, daß der Andorianer noch recht fest im traditionellen Ehrenkodex seines Volkes verhaftet war und sich inoffiziell darüber freute, daß ein Einbruchsversuch ins Stasisfeld nicht den erwünschten Erfolg gehabt hatte.

Endlich näherte sich die Reise ihrem Ende. Kurz vor der nächsten Etappe wurde Chandron ´gebeten´, das Stasisfeld aufzulösen und sein ´Einmannshuttle´ zu besteigen. Der zweite Offizier führte ihn persönlich in den Frachtraum. Chandron sendete unauffällig die Deaktivierungssequenz für die Nanosonden, gab wenige Sekunden später den Code für das Stasisfeld ein und reaktivierte den Kampfgleiter. Kurz bevor er die Kanzel versiegelte, reichte er dem Andorianer noch die Hand. Mit einem festen Händedruck und einem respektvollen Nicken verabschiedeten sich die beiden Individuen voneinander, ohne je ein nicht dienstliches Wort miteinander gesprochen zu haben. Das Kraftfeld flimmerte auf, die Schleuse öffnete sich und die inakzeptable ´Fracht´ glitt langsam hinaus in den Raum.

Der Kommunikator meldete sich: "Hier ist die USS Aurelian. Wir sind Ihr nächster Transporter. Benötigen Sie irgendwelche besonderen Andockvorrichtungen oder möchten Sie in unserem Shuttlehangar landen?", fragte ein freundlicher alter Rigellianer.

Chandron prüfte kurz die Sensor- und Computerdaten. Jetzt hatte man ihn an ein Akademieschiff weitergereicht. Mit Sicherheit eine Folge der Unfähigkeit, seine technischen Spielereien zu entschlüsseln und zu kopieren. Offenbar war wenigstens der unterschwellige Konflikt vorbei. Chandron gestattete sich ein wenig Entspannung und antwortete dann: "Kein Problem, solange Sie irgendwo eine Landefläche von circa 12 mal 16 Meter bei einer Deckenhöhe von etwa drei Metern freihaben. Wenn Sie mir dann noch irgendeine Art von Anflugvektor senden könnten, dürfte es keine weiteren Komplikationen geben."

"Das erübrigt sich wohl, da Sie direkt auf unsere Backbordschleuse zufliegen. Landen Sie einfach, sobald sie genügend Platz haben und willkommen an Bord."

"Besten Dank und bis gleich." 

Auf der USS Hood staunte fast die gesamte Brückencrew. "Unglaublich! Der Typ kann sich ja beinahe benehmen."

"Der Kerl kann ja fast sympathisch sein."

"Sofern man ihm die Chance läßt!" Die letzte, in eiskaltem Ton gesprochene Bemerkung stammte vom zweiten Offizier und erzeugte betretenes Schweigen. Langsam drehte der schwere Kreuzer der Excelsior-Klasse ab und sprang kurz darauf in den Warp. 

Die folgenden beiden Monate waren sehr entspannend und interessant. Auf einem der mobilen Akademieschiffe unter lauter Personen von armen und entlegenen Planeten lernen und lachen zu dürfen machte einiges von den psychischen Strapazen der letzten Reise wett. Aufgrund seiner fortgeschrittenen Grundkenntnisse in Energiewaffentechnik konnte Chandron sogar inoffiziell den Föderationsabschluß in Waffentechnik machen. Mit ehrlichem Bedauern versuchten die Lehrer ihm klarzumachen, daß er aufgrund bürokratischer Hemmnisse nie eine Urkunde oder Auszeichnung seitens der offiziellen Stellen erhalten könnte. Sie waren sehr erstaunt, daß ´derlei Firlefanz´ ihrem Schüler vollkommen egal war. Noch wesentlich erstaunter waren sie allerdings als Chandron einige ohnehin freigegebene Daten auf den Tisch brachte, die deutliche funktionale Verbesserungen darstellten, von den Raumwerften jedoch schon seit Jahren verworfen und verschwiegen worden waren. Auch im Fachkurs Energieleiter und -speicher wurde die celarionisch-noldanische ´Nachhilfe´ sehr geschätzt. An der Grenze zum tholianischen Raum verabschiedete man sich herzlich voneinander.

Da sämtliche Teilnehmer der fortgeschrittenen Kurse so wie ihre Lehrer erahnten, daß dieses zusätzliche Wissen in vielen Dienststellen unerwünscht war, brauchte man niemanden extra zum Schweigen zu verpflichten. Eines Tages konnte es sich aber durchaus erweisen, daß hier der Grundstein für ein paar neue Rekruten der RogueFleet gelegt worden war.

Auch diese Reise durch den tholianischen Raum verlief ereignislos. Die einzige Ausnahme bildete hier der Besuch des Wissenschaftsoffiziers beim Besitzer des in Schlepp genommenen Kampfgleiters. Zum Dank für die beiden Transportmöglichkeiten hatte Chandron auf Noldan einige Datenkristalle vorbereitet, die von der Allianz zur Weitergabe freigegeben worden waren und bei den Tholianern dankbare Aufnahme fanden. Endlich näherte sich die weltraumweite Tour ihrem Ende. In den letzten Sekunden des Jahres 2359 konnte Chandron seinen Deggonar-Kampfgleiter in den Offensivhangars der Intrepid landen. Die Nanosondeninterfaces waren mittlerweile schon angekommen und installiert, daher konnte er ohne große Verzögerung seine Datensammlungen abgeben und sich wieder in die heimatliche Kabine begeben. Schwer ließ er sich aufs Bett fallen und starrte lange zur Decke hinauf. Alle möglichen Gedanken schossen ihm durch den Kopf, doch irgendwann schlief er ein. Als mehrere Stunden später der Türsummer ertönte, wachte er wieder auf, schüttelte leise lächelnd den Kopf über seine ´Unvorsichtigkeit´ und gab den Befehl zum Öffnen.

Zweieinhalb wohlbekannte Tonnen mineralischen Lebens schoben sich in den Raum. Shuq´Tep´h war offensichtlich hoch erfreut, Chandron wiederzusehen. Fast den ganzen Tag verbrachten die beiden damit, sich gegenseitig auf den neuesten Stand der Dinge zu bringen. Als der Xarellianer sich schließlich verabschiedete, kam Chandron endlich dazu, nach einer gründlichen Dusche auf zivilisierte Art ins Bett zu gehen.

Die nächsten Monate steckten voller Arbeit. Nachdem die noldanischen Sonden ausgelesen worden waren, ging man mit fieberhafter Eile daran, Energie- und Waffensysteme komplett neu durchzudesignen. Durch die enge Verknüpfung aller Wissenschaftszweige in Verbindung mit der freien Forschung wurden einige Sackgassen in manchen Systementwürfen schnell beseitigt. Ein Jahr später waren die internen Energieleitungen und -speicher genauso wie ein Großteil der Waffen- und Schildtechnologie einer vollkommenen Neukonstruktion unterzogen worden.

Auch die Spionageabwehr machte weitere Fortschritte. Zusätzlich zum penetranten Geschnüffel seitens der Föderation waren nun auch die Romulaner und die Klingonen deutlich aktiver geworden. Die gesamte bekannte Galaxis gierte dermassen stark nach neuen Waffen, daß mittlerweile jedes informierte Individuum sich schon zu fragen begann, wann der Krieg mit welchen Teilnehmern denn ausbrechen würde. Die Allianz verlor 2362 einen wichtigen Partner - die Chgscht waren mit der Konstruktion ihrer Tiefraumer fertig und machten sich auf den Weg in die erkalteten Spiralarme, um dort endlich Ruhe und Frieden zu finden. Dekaden der intensiven Forschung sowohl in der planetaren Archäologie als auch in der gegenwärtigen Soziologie hatten in ihnen die Überzeugung reifen lassen, daß bei einem allumfassenden Raumkrieg mit mehreren Machtblöcken von der Größe der Föderation und ihrer Gegenspieler nur die totale Isolation das Überleben einer nicht am Krieg teilnehmenden Rasse sichern konnte.

Sämtliche Ressourcen, die Celarion, Noldan und RogueFleet erübrigen konnten, wurden ihnen mit erfreulicher Selbstverständlichkeit zur Verfügung gestellt, jedoch dankbar abgelehnt. Die einzigen Geschenke, die von den Chgscht akzeptiert wurden waren Datenblöcke aller Art. Erst Monate nach ihrem Abflug fiel der Föderation das vollkommene Verschwinden der Wasserstoffatmer auf. Die merkwürdigsten Erklärungen wurden quer durchs All posaunt, doch keines dieser Lügenmärchen kam auch nur ansatzweise an die Wahrheit heran.

An einem wohlverborgenen Ort auf Noldan, in einem unscheinbaren Datensatz in den Archiven der Intrepid und einer Gedenkstätte auf Celarion wurde der Kursvektor der alten Rasse aufbewahrt. Jahrzehnte nach dem letzten großen Krieg sollte eine Expedition gestartet werden, um die Chgscht wieder in den Kreis der Allianz zurückzuführen. Der Zeitpunkt würde irgendwann kommen.

Politisch wurde die Lage für einzelne Planeten immer schwieriger. Der Waffenstillstand und anschließende Friedensschluß zwischen klingonischem Imperium und Föderation verhinderte das Ausspielen der Machtblöcke gegeneinander und störte das empfindliche Gleichgewicht, das bisher allzu grobe Sanktionen gegen Einzelplaneten unterbunden hatte. Nach langen Diskussionen verkündeten Noldan und Celarion offiziell ein gegenseitiges, uneingeschränktes Forschungs- und Verteidigungsbündnis. Die öffentlichen Kanäle der Föderation begrüßten diese Entwicklung zwar, doch konnte man schon bald an einem deutlich erhöhten Spionageaufkommen und mehreren merkwürdigen Handelsschwierigkeiten klar ersehen, was der Föderationsrat tatsächlich von diesem ´neuen´ Bündnis hielt. 

Auf der Intrepid bereitete man sich allerdings deutlich anders auf einen Konflikt vor. Immer wieder wurden in geheimer Zusammenarbeit mit Celarion und Noldan neue, vollkommen andersartige Waffen und Verteidigungssysteme entwickelt. Die Kombination aller Wissenszweige und aller Ideen brachte zuweilen eher merkwürdige, jedoch immer irgendwie verwertbare Technologien hervor. Schon 2340, als ein romulanischer Antriebsingenieur vor einem Tribunal flüchtete und auf der Intrepid Aufnahme fand, gelangte auch die romulanische Technik der künstlichen schwarzen Löcher in den Datenpool. Auch wenn er nie genug Vertrauen faßte, um jemals seinen Namen mitzuteilen, so wurde seiner auch nach seinem Tod durch ein verzögert wirkendes Tal-Shiar-Gift immer noch mit Respekt gedacht. Die Verbindung mit Phasenkonvertern noldanischen Ursprungs und celarionischen Energiebanken gebar eine Kombination aus Antrieb und Waffe, die in einem eventuellen Konflikt den entscheidenden Vorteil bringen konnte: den Singularitätswerfer oder Schwarzloch-Kondensator. Dieses Gerät war in der Lage in beliebiger Richtung vom Schiff ein kurzlebiges schwarzes Loch zu erzeugen, daß wahlweise durch seine Sogwirkung einen schwer aufspürbaren Antrieb oder eine Waffe gegen gegnerische Projektile und Strahlen - wenn nicht sogar Schiffe darstellte.

Während des Überfalls auf einen unbewaffneten Frachter im Jahre 2342 wurde diese Waffe das erste Mal erfolgreich gegen Sklavenhändler eingesetzt. Bei diesem Vorfall zeigten auch die ersten Geschwader von heimlich erworbenen Deggonar- und Thurngarr-Kampfschiffen der ersten Baureihe das erste Mal ihr volles Potential. 

Ab 2363 begannen die ersten celarionischen Unterstützungskonvois einzutreffen. Mit den vorgefertigten Einzelteilen von den noldanischen Raumwerften wurden Unmengen von Kampfgleitern, Bombern und Enterschiffen hergestellt und schwer bewaffnet. Die Offensivhangars der Intrepid füllten sich bis zur maximalen Kapazität mit Kampfschiffen der schon vorher in mittlerweile veralteten Versionen enthaltenen Deggonar und Thurngarr-Klasse , wobei die ausgedienten Schiffe komplett durch die neuesten Modelle ersetzt wurden. Die Enterschiffe erhielten spezielle Schnellstartbuchten an vielen Stellen in der Außenhülle, da sie keine Katapulteinrichtungen für den effizienten Start benötigten.Gleichzeitig begann man das Ausbildungsprogramm in den Holodecks. Jedes Individuum, daß auch nur das geringste Talent zum Raumkampf in sich vermutete, meldete sich für die Trainingskurse. Die alteingesessenen Kampfpiloten waren in dieser Zeit ebenfalls in den Trainingsräumen zu finden, da die verbesserten Systeme der Kampfschiffe vollkommen andersartiges Flugverhalten zur Folge hatten. Auch die Bordschützen der Bomberstaffeln hatten einigen Nachholbedarf, da durch die stetigeWeiterentwicklung und Miniaturisierung der Systeme eine stattliche Anzahl neuer Zielerfassungs- undWaffentechniken zur Verfügung stand.

Chandron nahm nach Abschluß der Kampfpilotenkurse wieder an der Koordinierung der technischen Erkenntnisse teil. Die ausgedehnte Kommunikation mit Noldan und Celarion führte sehr bald zu einem politischen Vabanquespiel.

Offiziell sollte RogueFleet-Personal celarionischer und noldanischer Abstammung als Verhandlungsdelegation einen Schutzvertrag mit den beiden Planeten aushandeln. Die schon seit Jahren bestehende inoffizielle Zusammenarbeit sollte so besser verschleiert werden, da als Bezahlung für den militärischen Schutz der Planeten natürlich Waffentechnologien übergeben werden sollten. Schon im Vorfeld hagelte es scharfe Proteste von Terra, QuonoS, Cardassia Prime und Romulus, die jedoch alle mit der Bemerkung abgeschmettert wurden, daß die jeweiligen Verantwortlichen sich vor der Kontaktaufnahme mit RogueFleet einen Dreck um die noldanischen und celarionischen Probleme mit Piraten und Spionen geschert hatten.Zusätzlich würde die Stärkung einer relativ kleinen, politisch desinteressierten Gruppe das labileGleichgewicht zwischen den großen Imperien nicht sonderlich beeinflussen, da RogueFleet schon immer jegliche Bündnisse oder Annexionen der großen Machtblöcke kategorisch abgelehnt hatte. Anfang 2364 war es dann soweit. Ein modifizierter Frachter, vollgestopft mit stark verbesserten Schildprojektoren und Waffensystemen machte sich auf den Weg nach Celarion.

Der erste Überraschungsangriff startete knapp hinter dem tholianischen Raum, in der Nähe der romulanischen neutralen Zone. Eine Diamantformation aus altertümlichen Warbirds enttarnte sich direkt vor dem anfliegenden Diplomatenschiff. Anrufe wurden ignoriert, stattdessen flogen die Angreifer auf ihr scheinbar wehrloses Opfer zu und eröffneten ohne weitere Warnung das Feuer. Die überstarken Schilde des Diplomatenschiffes hielten den gegnerischen Ansturm ohne Probleme ab. Da man außerdem bei RogueFleet noch nie so dämlich und geizig gewesen war wie bei den etablierten Schiffswerften, blieben die galvanisch entkoppelten Schaltkreise auf der Brücke von den allseits bekannten Spannungsrückschlägen und ihren explosiven Folgen verschont. Schon seitdem die Gegner sich enttarnt hatten, liefen die Aufzeichnungen. Als auch der zweite Anflug vorüber war, sendete man anstelle der Bitte um Identifikation eine letzte Warnung, die jedoch deutlich ignoriert wurde. Nachdem die Angreifer nochmals komplett gescannt worden waren, um einen Beweis für die Empfangsbereitschaft der Kommunikationssysteme zu bekommen, öffneten sich einige scheinbare Notschleusen an allen Seiten des Diplomatenschiffs. Geschütztürme wurden ausgefahren und entsprechend der Zielerfassungsdaten ausgerichtet. Der letzte Anflug der gegnerischen Streitmacht endete in einer kompletten Vernichtungsorgie. Mit computerberechneter Präzision entluden sich sämtliche Waffen zuerst auf die jeweils schwächste Stelle der gegnerischen Schilde, gefolgt von einem wohlgezielten Feuerimpuls auf die Projektoren für Schilde und Tarnvorrichtungen. Anschließend spielte man die Triebwerksmodifikationen voll aus und ging augenblicklich auf Verfolgungskurs. Zwei der Angreifer versuchten noch, ihrerseits einen Gegenangriff zu starten, als sämtliche Feindschiffe je eine komplette Breitseite in die Antimateriereaktoren erhielten und fast sofort explodierten. Noch während die Trümmer langsam in die Weite des Alls trieben, waren beim angegriffenen Schiff schon sämtliche Sensorenphalanxen mit ständig wechselnden Emitterfrequenzen und Scanrastern unter Überlast in Betrieb. Erst drei Stunden später setzte man seinen Weg fort, während die Schiffscomputer die aufgezeichneten Daten analysierten und Backups anfertigten. Der zweite Angriff fand an der Grenze zwischen celarionischem und föderativem Raum statt. Diesmal bestand die Angriffstruppe jedoch nur aus einem einzigen Schiff - ein alter Zerstörer aus der Zeit der Constitution-Klasse. Auch hier wartete man mehrere Angriffe und diverse vergebliche Kontaktversuche ab, bevor der Gegenschlag erfolgte. Und auch dieser Vorfall wurde genauestens aufgezeichnet. Da das gegnerische Schiff bei Weitem nicht so mobil war, wie seine Vorgänger, dafür jedoch mit deutlich stärkeren Schilden ausgestattet, ging man zuerst auf Fluchtkurs.

Als ein nahegelegenes Asteroidenfeld erreicht war, begann man den Gegner mittels des Traktorstrahls mit Felsen zu bewerfen. Einige abgefeuerte Torpedos erledigten den Rest - der Angreifer drehte schwer angeschlagen ab. Die Landung auf Celarion ging problemlos vonstatten. Beim Verlassen des Föderationsbereich standen schon mehrere Kampfgeschwader als Eskorte in den celarionischen Raum bereit. Nach zwei entspannten Wochen machte sich der wiederum umgebaute Frachter erneut auf den Weg.

Der nächste Anschlag fand diesmal im freien Raum statt. Zwei klingonische D7 enttarnten sich vor und hinter dem Diplomatenschiff, dessen Aufzeichnungssysteme schon wieder anliefen. Wieder ignorierte der Gegner jede Bitte um Identifikation und jede Warnung. Diesmal kam das Ende jedoch deutlich schneller. Die modifizierten noldanischen Pulsladungstorpedos hämmerten die klingonischen Schilde in Rekordzeit nieder und machten dann in Verbindung mit den übrigen Waffensystemen Schluß mit der Bedrohung. Die Stimmung auf dem wieder mal davongekommenen Frachter näherte sich einem grimmigen Tiefpunkt. Langsam aber sicher hatte die gesamte Besatzung endgültig genug von irgendwelchen hinterrücks angreifenden Mordkontingenten. Kurz vor der noldanischen Sicherheitszone wurde das Schiff endgültig angehalten. Drei schwere Kreuzer der Excelsior-Klasse, unterstützt von mehreren kleineren Kampfschiffen, brachten den Frachter zum Stehen. Schweren Herzens aktivierte die Besatzung die Selbszerstörungssequenz aller fortgeschrittenen Waffensysteme und ergab sich dann, nachdem der letzte abgefeuerte Torpedo das gegnerische Führungsschiff verfehlte und im noldanischen Raum verschwand.

Die öffentliche Gerichtsverhandlung begann schon eine Woche später auf dem nächstgelegenen Föderationsplaneten. Auch Vertreter der Klingonen und der Romulaner waren anwesend, genau wie Repräsentanten Celarions, Noldans und RogueFleets. Am fünften Tag des Schauprozesses faßte der Anwalt der Anklage sämtliche Beschuldigungen zusammen.

"Der angebliche Diplomatenfrachter vernichtete ohne Provokation vier romulanische Privatraumer und zwei klingonische Ausbildungsschiffe. Zusätzlich atackierte man ein Kadettenschiff der Föderation. Auch der letzte, verzweifelte Angriff auf das Flaggschiff der entsandten Taskforce darf nicht vergessen werden. Obwohl die Aussagen der Angeklagten sich decken, sind sie nicht glaubwürdig. Die Beweisführung der Anklage stützt sich vor Allem auf die Computerlogbücher des Angriffsschiffs der Beklagten."Allgemeines Murmeln erfüllte den Saal. Das Publikum konnte offenbar nicht nicht verstehen, wieso die Angeklagten und die Vertreter ihrer Heimatwelten gelangweilte bis leicht erheiterte Mienen zur Schau trugen. Der Vertreter der Anklage fuhr fort:

"Aufgrund der Schwere der Verbrechen schlage ich die Verurteilung eines Drittels der Beklagten vor diesem Gericht, eines weiteren Drittels vor dem klingonischen Hohen Rat und des letzten Drittels vor dem  romulanischen Prätoriat vor. Für das Drittel unter Jurisdiktion der Föderationsgesetze fordere  ich selbstverständlich die Höchststrafe." Plötzlich brach in den Reihen der Angeklagten lautes Gelächter aus. Der gesamte Saal mit Ausnahme der Vertreter der mit angeklagten Welten wirkte schockiert. Erst nach mehreren Sekunden hatte der Vorsitzende des Tribunals sich weit genug gefaßt, daß er allgemeine Ruhe fordern konnte. Nach einigen weiteren Augenblicken hatten sich die Angeklagten wieder unter Kontrolle.

Shuq´tep´h schob sich ans Rednerpult:

"Werte Mitglieder und Initiatoren dieser Farce, geschätzte Individuen im Saal und an den Subraumempfängern, ich bedaure es außerordentlich, den ersten Ansatz einer allumspannenden Zusammenarbeit zwischen Föderation, Klingonen und Romulanern zunichte machen zu müssen, aber ich fürchte, man läßt mir keine Wahl. Ich beginne mit dem letzten Anklagepunkt, dem Angriff auf das Flaggschiff der Föderationsschergen." Unwillige Zwischenrufe von allen, die diesen bewußt eingesetzten, archaischen Begriff aus Prä-Warp-Zeiten verstanden hatten erfüllten den Saal, was den Xarellianer nicht im Geringsten zu interessieren schien.

"Der abgefeuerte Torpedo enthielt fälschungssichere PROMkristalle, die VOLLSTÄNDIGE Aufzeichnungen der hier vorgetragenen ´unprovozierten´ Angriffe enthielten. Um einer Verfälschung der Daten zuvorzukommen,  wurden sie anstelle eines Sprengkopfes in den Torpedo eingebaut, der direkt am gegnerischen Flaggschiff vorbei in den noldanischen Raum geschossen wurde. Einige weitere, ebenfalls fälschungssichere Datenträger des selben Typs erlaubte ich mir mit den Erpressungsversuchen der hier die Anklage führenden Machtblöcke zu füllen, die unsere Botschafter im Austausch für aktuelle Waffentechnik weiterleben lassen wollten." Die Hackersonden, die schon seit einigen Tagen in die Gerichtscomputer eingedrungen waren, übertrugen die von Shuq´tep´h erwähnten Vorkommnisse nicht nur auf den Datenschirm im Saal, sondern auch über das Subraumnetzwerk in die gesamte Galaxie. Erst als die Sendung vorbei war, zerstörten sie sich selber und ließen hunderte von angestauten Abschaltbefehlen ihres Weges ziehen, was das gesamte Übertragungssystem lahmlegte.

Dann brach im Saal die Hölle los. Alle schrieen durcheinander, gegenseitige Beschuldigungen und diverse kleinere Gegenstände wurden dem jeweiligen Diskussionspartner an den Kopf geworfen. In diesem ganzen Trubel verließen die Angeklagten gelassen ihren Platz und gesellten sich ihren Kameraden hinzu. Während der Gerichtssaal sich langsam aber sicher in eine unkontrollierbare Massenprügelei verwandelte, machte Shuq´tep´h den Weg für seine Mitstreiter frei. Entspannt begab man sich in die noldanische Botschaft und harrte gelassen der weiteren Entwicklung. Schon am nächsten Tag waren alle Anklagepunkte vom Tisch. Proteste aus der gesamten bekannten Galaxis sorgten für eine rekordverdächtig schnelle Beendigung des nunmehr unhaltbar gewordenen Tribunals.

So schnell wie möglich begaben sich die Angeklagten auf den Weg nach Noldan. An der Grenze zur noldanischen Sicherheitszone verließen sie ihren umgebauten Frachter und sprengten das Schiff aus Sicherheitsgründen. Kurz darauf erloschen auf mancher Geheimdienstkonsole einige ganz spezielle Lichter. Die entspannten Wochen in der Sicherheit der noldanischen Systemverteidigung vergingen viel zu schnell.

Chandron nutzte die Zeit, um bei vielen seiner ehemaligen Lehrer und Mitschüler unangemeldet aufzutauchen. Fast jeder der Besuchten hatte irgendwelche anregenden Entwicklungen in Arbeit, auch wenn für Chandrons Geschmack viel zu wenige der Neuentwicklungen wirklich neue Wege beschritten. Ausgerechnet bei seinem unbeliebtesten und scheinbar rückständigsten Lehrer fand Chandron das revolutionärste Konzept aller bisher besichtigten Projekte - eine Mischung aus programmierbarem Metall und symbiotischen Nanobots, die die kinetische Energie eines Angriffs umwandelten und zur molekularen Vernetzung der beschädigten Fläche nutzten. „Endlich eine neue Idee.“

„Und das bei so einem verknöcherten Primitivling, nicht wahr ?“

Chandron wurde vollkommen überrascht. Sein Gesichtsausruck war nur noch als ´selten dämlich´ zu bezeichnen, was seinen ehemaligen Lehrer zumindest kurzzeitig zu erheitern schien. „Ihr jungen Hüpfer solltet Euch mal hin und wieder über Eure Lehrer informieren. Wer, glaubst Du, hat die Schneidklingen für die Deggonars und Thurrngarrs entwickelt?“

„Für rein geschichtliche Nachforschungen schien mir die Zeit zu knapp bemessen zu sein.“

„Ist sie auch. Trotzdem wärs ganz nett, wenn ihr Frischlinge zumindest die Tendenz behalten hättet, HINTER die Kulissen zu sehen. Mach Dir keine Illusionen - ich mag Dich nicht. Ich mag KEINEN meiner Schüler - ihr stehlt mir alle nur wertvolle Zeit. Aber ich habe eine Schuld gegenüber der Allianz zu bezahlen und ich drücke mich nicht um die Rückzahlung.“

Der mittlerweile völlig verdatterte Chandron bekam grob einen Datenträger in die Hand gedrückt. „Nimm das als Belohnung für Deine Sturheit und mach dich auf den Heimweg. Und jetzt lass mich endlich in Ruhe arbeiten!“ Mit einem kurzen Nicken, das komplett ignoriert wurde, machte sich Chandron auf den Weg zum Raumhafen. Die Abneigung beruhte auf Gegenseitigkeit, aber nun begann sich zumindest ein gesunder Respekt für den miesepetrigen Lehrer zu entwickeln. Die wertvolle Erkenntnis, daß man immer genauer nachforschen sollte, wen man vor sich hatte wurde ebenfalls tief in der Seele verankert. Diese Falle sollte in Zukunft vermieden werden - koste es, was es wolle.

Abgesehen von diesem technischen Höhe- und moralischen Tiefpunkt gab es keine weiteren Besonderheiten. Lange vor dem geplanten Ende ds Aufenthaltes trieb sich Chandron schon wieder im Maschinenraum und in der Reparaturabteilung des Schiffs herum. Langsam traf auch der Rest der Crew ein, soweit es die Weiterreisenden betraf. Einige Personen des Funktionspersonals wurden ausgetauscht, während die bisherigen Diensttuer in den wohlverdienten Urlaub gingen. Schließlich endete die Pause und man begab sich gemächlich zu den wartenden Schiffen.

Mit frisch gefüllten Datenträgern machte man sich in einem offiziell angemeldeten, leicht bewaffneten Frachtkonvoi auf den Weg zum Treffpunkt mit der Intrepid. Einige merkwürdige Sensorschatten schlossen sich dem kleinen Verband schon bald nach dem Verlassen der Sicherheitszone an, hielten sich jedoch zunächst knapp innerhalb des maximalen Erfassungsbereiches. Erst im Tiefraum, fern von allen potentiellen Hilfskräften schlossen die Unbekannten zügig auf.

Obwohl ein leichtes Zögern auf den Scannern zu erahnen war, als die Intrepid in den Erfassungsbereich der Sensoren gelangte und ihrerseits mit maximaler Geschwindigkeit auf den Konvoi zuflog, blieben die getarnten Schiffe letzten Endes ihren Absichten treu. Kurz nachdem die Intrepid und der Konvoi aus dem Warp gefallen waren enttarnten sich fünf romulanische Warbirds - diesmal allerdings keine veralteten Einheiten, sondern brandneue Schiffe mit voller Bewaffnung. Niemand hielt sich lange mit irgendwelchen Drohungen oder Erklärungen auf. Die Intrepid entlud einen großen Teil der vorgeladenen Waffenbanken in den Singularitätswerfer, um zwischen den Romulanern und dem Konvoi drei schwarze Löcher entstehen zu lassen, die die abgefeuerten Disruptorstrahlen und Photonentorpedos aufsaugten. Gleichzeitig trennten sich Hauptrumpf und Brückensegment und einige Kampfgeschwader katapultierten sich in den Raum.

Knapp vierzig Deggonar-Kampfgleiter beschleunigten mit Vollschub in Richtung der Romulaner, dicht gefolgt von 21 Bombern der Thurngarr-Klasse, die ihren Kursvektor leicht verschoben und die Warbirds schon aus der größtmöglichen Entfernung mit Feuer belegten. Die Romulaner nahmen die kleineren Schiffe zunächst nicht besonders Ernst, sondern versuchten weiterhin, ihr ausgewähltes Opfer abzuschießen. Mittlerweile begannen die ersten beiden Singularitäten zusammenzubrechen, was die Lage des Konvois verschlimmerte.

Plötzlich jedoch änderte sich die Lage. Die romulanischen Schilde konnten dem Ansturm aus noldanischen Pulsladungstorpedos, schweren OffensivLASERn und mehreren Tausend Linearbeschleunigerprojektilen nicht länger standhalten. Obwohl die Warbirds sofort Defensivmanöver einleiteten, um dem Feind die noch geschützten Seiten zuzuwenden, hatten sie schon verloren. Mit den Deggonar-Kampfgleitern ging eine merkwürdige Veränderung vor. Langsam begannen die sichelförmigen Tragflächen in einem aggressiven, leicht pulsierenden Rot zu glühen. Die ´Tragflächen´, nun auch noch mit starken Kraftfeldern verstärkt, erwiesen sich als tödliche Schneiden, die die Außenhülle der angegriffenen Warbirds mit ungeahnter Leichtigkeit zerschnitten. Sekundärentladungen der Kraftfelder zerfetzten nicht nur die tiefergehenden Hüllenschichten, sondern sorgten auch noch für weitreichende Schäden in der gegnerischen  Bordelektronik durch die auftretenden Leckströme und Spannungsspitzen im romulanischen Energiesystem. Als die Romulaner endlich ihren Fehler erkannten, war es für sie schon längst zu spät. Inzwischen hatten auch die Bomber den Flug zur lädierten Seite der Angreifer geschafft. Die Vernichtung der stolzen Flotte war nur noch eine Frage von Minuten, als sich mehrere Torpedos aus den Bombenschächten lösten und auf ihre Ziele zurasten. Diese zerstörerische Energie, zusätzlich zu den ohnehin schon arbeitenden Waffenprojektoren der Thurngarrs, sprengte tiefe Löcher in die Warbirds, von denen drei die Kontrolle über ihren Antrieb verloren und von ihren eigenen Quantensingularitäten absorbiert wurden.

Als sich nach der Vernichtung der ersten drei Schiffe die gesamte Feuerkraft der RogueFleet-Einheiten auf die verbliebenen beiden Warbirds konzentrierte, konnte niemand mehr genau nachvollziehen, welches der malträtierten Systeme denn nun zuerst den Geist aufgegeben hatte, bevor es das ganze Schiff zerriß. Nur Minuten nach der letzten Explosion waren die Angriffsgeschwader wieder gelandet und der Konvoi dockte vorsichtig an die Intrepid an, um seine Fracht zu löschen. Nebenbei fuhr die Brückensektion ihre Warpgondeln wieder ein und verband sich mit dem Hauptrumpf. Eine verschlüsselte Verbindung mit dem Prätoriat sorgte endlich für klare Verhältnisse. Gleichermassen mißgestimmt wie beeindruckt von der schnellen Vernichtung ihres Kampfverbandes einigte man sich auf Romulus auf einen unbefristeten Waffenstillstand mit RogueFleet. Nach diesem Vorfall durften die Angegriffenen sich erst einmal in relativer Ruhe wichtigeren Aufgaben widmen.

Zwar war aus reiner Notwendigkeit noch immer ein Großteil der Forschungsprojekte dem militärischen Bereich vorbehalten, doch wurden immer mehr Ressourcen frei, um den Aufenthalt an Bord deutlich angenehmer werden zu lassen. Einige neue Programme für die Holodecks, mehr Platz und Wohnraum für die Besatzung durch immer stärkere Miniaturisierung bestimmter Komponenten, größere Auswahl in den Nahrungsmittelverteilern und noch hunderte andere kleine Annehmlichkeiten ließen fast die gesamte Mannschaft guter Stimmung sein.

Nur die Wenigen, die sich durch Abhören der Subraumkanäle auf dem galaktischen Stand der Dinge hielten, ließen sich durch die umfassende gute Laune kaum beeinflussen. Offenbar steuerte das bekannte Universum immer deutlicher auf einen Krieg zwischen mindestens zwei der größeren Parteien zu. Verbissen machten sich einige besonders pessimistische eingestellte Forscher daran, für den Fall des Falles Fluchtrouten und Ausweichstandorte zu berechnen. 

Tatsächlich kam der nächste Großeinsatz aus einem vollkommen unerwarteten Grund zustande.

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