Kapitel 3

Die mental empfänglichsten Individuen an Bord der Intrepid erhielten zeitgleich einen schwachen Hilferuf aus einer als unbewohnt eingestuften kleinen Dunkelwolke. Die Art und Herkunft dieser Hilferufe wie auch die Bewußtseinsmusterstrukturen der Sender war dermassen ungewöhnlich, daß die Intrepid fast augenblicklich mit Höchstgeschwindigkeit auf Kurs ging. Während der zwangsweisen Verzögerung durch den Ortswechsel liefen die Fernbereichsscanner und die Datensuchalgorythmen auf maximalem Niveau. Jede noch so kleine Information wurde mit den kompletten Datenbanken verglichen, ohne daß jedoch irgendeine brauchbare Voraussage gelang, was die potentiellen Retter am Zielort erwarten würde.

Erst als auch die Chgscht-Datenblöcke in die Suche mit eingebunden wurden, erzielte man ein immer wiederkehrendes, aber trotzdem sehr rätselhaftes Ergebnis. Die Koordinaten der Dunkelwolke waren auf mehreren Millionen Jahren alten Inschriften mit dem Begriff ´La`alvi Tistain´ verknüpft, ohne daß dieser merkwürdige Name irgendwo gesondert erklärt wurde. In den folgenden Tagen nahmen die Gerüchte und Vermutungen groteske Ausmaße an, dennoch war sich selbst der ängstlichste Paranoiker relativ sicher, daß keiner der üblichen Machtblöcke irgend etwas mit diesen mysteriösen PSI-Emissionen zu tun hatte. Knappe zwei Wochen verstrichen, danach wurden die Mentalsendungen wieder aufgenommen, nun aber aufgrund der merklich geringeren Entfernung mit deutlich erhöhter Intensität. Diesmal war jedoch keine weitere Information zum Hilfsersuchen Gegenstand der Sendung, sondern klare Anweisungen für die Rekonfiguration der Kommunikationssysteme. Diese Wende überraschte erneut. Schnellstmöglich wurde ein Subsystem der Kommunikationsmatrix isoliert und entsprechend der erhaltenen Anweisungen modifiziert, wobei man natürlich die Art der technischen Änderungen genauestens aufzeichnete und analysierte. Einige Tage später wurde die umgebaute Anlage in Betrieb genommen und das nächste Problem offenbarte sich. Die Kommunikation von Geist zu Geist hatte bisher die Tatsache verborgen, daß die Unbekannten sich einer Sprache bedienten, deren semantische Muster in keiner der verfügbaren Datenbanken enthalten war.

Auch die normalen Analysefunktionen der Universalübersetzersoftware waren vollkommen überfordert. Nach mehreren frustrierenden Stunden gab auch der letzte Linguist auf, und man begann mit den uralten gegenseitigen Sendungen von Primzahlen, Farbinformationen, Tonwellen und anderen allgemein gültigen Datensätzen. Als endlich die grundlegenden Kommunikationsmöglichkeiten funktionierten, sendete man den Unbekannten einen kompletten Datensatz in einer der meistverbreitetsten Sprachen an Bord.

Keine zwei Stunden später erhielt man die erste verständliche Antwort. Anstelle einer normalen Kontaktaufnahme enthielt das gesendete Datenpaket jedoch nur weitere Anweisungen sowie Koordinaten eines Doppelsterns. Nach mehrstündiger Beratung machte man sich auf den Weg dorthin, da der Abstrahlort der letzten Nachricht nicht zu ermitteln war. Kurz vor Erreichen der Zielkoordinaten wurden sämtliche Kampfstationen bemannt und die Energiebanken vorgeladen. Jedes Individuum an Bord stand unter Hochspannung, was sich jedoch als vollkommen unnötig erwies. Beim Erreichen der Koordinaten empfingen auch die nicht mental Befähigten eine telepathische Sendung in vollkommener Klarheit.

Der rätselhafte Begriff ´La´alvi Tistain´ war der Name einer uralten Rasse, die sich vor ihrem selbstgewählten Ende in dieser Daseinssphäre befand. Die letzten ´lebenden´ Individuen dieses Volkes warteten schon seit Äonen auf die Gelegenheit, eine Gewissensschuld zu begleichen. Vor mehreren Jahrtausenden hatten sie sich in jugendlichem Leichtsinn auf einem technisch und wissenschaftlich gering entwickelten Planeten einige Generationen lang als Götter verehren lassen, um ein wenig Abwechslung in ihr extrem langlebiges Dasein zu bringen. Die so erzeugte Religion hatte jedoch den schon auf anderen Planeten beobachteten, fatalen Verlauf genommen und existierte nur noch, um einer parasitären Priesterkaste ihre Privilegien und Besitztümer zu sichern. Im Laufe der letzten Jahrhunderte hatte es deswegen auch keine nennenswerten Fortschritte in irgendeiner Wissenschaft gegeben. Der einmal gemachte Fehler war nun nicht mehr zu korrigieren, da die ehemaligen ´Götter´ mittlerweile die nächste Entwicklungsstufe ihres Daseins erreicht hatten und mit bloßem Auge nicht mehr wahrnehmbar waren. Wäre ihr Schiff nicht mit hochentwickelten Mentalinterfaces ausgerüstet gewesen, hätten sie noch nicht einmal eine Möglichkeit gehabt, nach einem Helfer in der Not Ausschau zu halten. Mehrere Sternenreiche waren schon beobachtet und für zu korrupt und eigensüchtig befunden worden, um eine derartige große Mission ohne einen nennenswerte Bezahlung oder schlimmstenfalls Ausbeutung des unterentwickelten Volkes auf sich zu nehmen. Dann war endlich RogueFleet – und hier besonders die Intrepid – in den Beobachtungfokus gerückt. Zwar mißbilligte man die Fixierung auf exotische Waffentechnologien aus moralischen Gründen, trotzdem sah man die taktische Notwendigkeit dieser relativ einseitigen Forschungsbemühungen ein. Da sich außerdem der letzte Entwicklungssprung der La´alvi Tistain näherte und die ehemaligen ´Götter´ nicht in ewiger Schande in die nächste Daseinssphäre eingehen wollten, hatten sie unter Verwendung eines Mentalumformers die Intrepid gerufen. Ohne diese Technik hätte keiner der Telepathen an Bord auch nur erahnt, daß ihn ein anderes Wesen kontaktieren wollte.

Wieder war es Zeit für einige Beratungen, doch zuerst wurde ein immenses Datenpaket über die momentanen Zustände auf Nyenk-lowq-nes´gin-Dlasorpab – dem ´Ewigen Reich der fünfzehn Götter´ - übertragen und ausgewertet. Die nächsten Wochen vergingen sowohl mit dem Flug zum endgültigen Ziel, als auch mit angestrengten Beratungen, wie man das geknechtete Volk aus dem Würgegriff der Religionsfanatiker befreien könnte, ohne ein Gemetzel auszulösen.

Über einen direkten Kanal waren auch die in Formation fliegenden La´alvi Tistain an den Gesprächen beteiligt. Sie würden am Ziel ihre körperlose Gestalt nutzen, um wichtige, umfassende Details der aktuellen Situation auf dem Zielplaneten in Erfahrung zu bringen. Kurz vor Erreichen des stationären Orbits rückten die La´alvi Tistain endlich mit dem Grund für ihre Eile heraus. Die Metamorphose stand unmittelbar bevor, sodaß nur noch wenige Wochen blieben, um die alte Schuld zu tilgen.

Während die Intrepid ins Orbit einschwenkte, machten die Energiewesen sich auf den Weg zur Oberfläche. Alle empfangsfähigen Telepathen an Bord befanden sich im Dienst und berichteten verzögerungsfrei über die von der Planetenoberfläche ankommenden Sendungen. Als klar wurde, daß es auf Dlasorpab keine nennenswerte Fernortungstechnik oder gar Luftraumüberwachung gab, und daß die rein wissenschaftliche Astronomie als Teufelswerk geächtet war, startete man schnellstmöglich mehrere Staffeln von Sonden, passiven Überwachungsgeräten und Orbitalscannern. Das Gesamtbild, das sich schon bald eröffnete, sorgte für ziemlich schlechte Laune an Bord, von der sich ein nicht geringer Teil gegen die ehemaligen ´Götter´ richtete.

Die Priesterkaste hatte die komplette Herrschaft über alle Lebensbereiche übernommen. Selbst Heirat und Geburten wurden von ihr festgelegt. Zuwiderhandlungen oder ´mangelnder Respekt´ gegenüber einem priesterlichen Befehl führte zum öffentlichen Tod durch Folter. Zwar glaubte man den La´alvi Tistain ihre Beteuerungen, daß sie so etwas nie beabsichtigt hatten, dennoch konnten viele Mitglieder der Mannschaft ihren Zorn auf die ehemals überheblichen Geistwesen kaum verbergen.

Weitere Diskussionen folgten. Nach langen Überlegungen kam man zu dem Schluß, daß zur Minimierung der Opfer und zur schnellstmöglichen Vernichtung der schädlichen Religion ein taktisches Bombardement auf die wichtigsten Tempel zeitgleich zur Wiederkehr der „Götter“ stattfinden sollte. Durch Einsatz der Materietransporter und einiger Sicherheitskraftfelder sollten alle gefährdeten Personen direkt vor dem Angriff aus den Zielgebieten entfernt werden. Diese Vorgehensweise wies zwar beträchtliche taktische Mängel auf, würde jedoch im schlimmsten Fall nur zum Exil der Priester und ihrer Schergen auf einen anderen Kontinent führen. Die Anzahl der Opfer ließe sich jedenfalls durch den immensen technischen Aufwand deutlich geringer halten, als das mühselige Erzeugen einer ernstzunehmenden Opposition inklusive der entsprechenden Revolution samt ihren unkalkulierbaren Nebenwirkungen. 

Sobald man sich für die endgültige Handlungsweise entschieden hatte, spritzte das Planungsteam in alle Richtungen auseinander. Verschlüsselte Nachrichten und Materialanforderungen jagten durch den Subraum nach Celarion. Dort staunte man zwar nicht schlecht über die abenteuerlichen Bestellungen, hielt sich aber trotzdem an die Prioritätscodes und stellte das benötigte Material schnellstmöglich zusammen. Zum Transport wurden allerdings diesmal keine Frachtschiffe, sondern schnelle Jagdkreuzer und auf Geschwindigkeit optimierte Prototypen der neuen Aleshdan-Klasse verwendet. Das revolutionäre Konzept eines Miniaturträgerschiffs erlaubte in den beiden Abschußrampen das Mitführen einer für diese Schiffsgröße sehr hohen Nutzlast. Sicherheitshalber wurden einige Aleshdan-Träger mit voller Kampfbestückung dem Konvoi hinzugefügt. Nur knapp 14 Stunden nach Eingang der Nachricht machte sich der Hilfstrupp mit Höchstgeschwindigkeit auf den langen Weg ins Niemandsland. 

Unterdessen war man im Orbit um Dlasorpab nicht untätig gewesen. Mehrere Jagdgeschwader wurden zu Materialsammlern degradiert und fingen sämtliche in Reichweite befindlichen Meteoriten ein. Nach einigem Hin und Her entschloß man sich, den nicht nutzbaren Abraum in der Planetenatmosphäre verglühen zu lassen, sobald wieder ein Priester ein nächtliches Ritual abhielt. Nach nur einer Woche war der regelmäßige Meteoritenschauer als göttliches Zeichen der Zufriedenheit in die Ideologie integriert.

Kaum war diese Behauptung unwiderruflich als absolute Wahrheit definiert, als der Nachschub an Sternschnuppen prompt gestoppt wurde. Auch ein in den nächsten Wochen normalerweise den Himmel erhellender Komet, der zur Einsegnung der Novizen unbedingt benötigt wurde, wurde noch vor Betreten der Himmelsbühne fachmännisch im Dunkel des Alls gestoppt und für spätere Verwendung in einem stationären Orbit um den sonnenfernsten Planeten geparkt. Erste Unsicherheit breitete sich innerhalb der Priesterkaste aus.

Als dann auch noch die zum Tode verurteilten Personen samt und sonders ins Nichts verschwanden, nur um in einem rätselhaften Lichtwirbel in der Mitte ihrer Familie wieder aufzutauchen gab es vereinzelte Nervenzusammenbrüche in den Reihen der Priester. Die ´heiligen´ Folterinstrumente wurden am hellichten Tag von rätselhaften Lichtstrahlen aus dem Himmel in harmlose Metallpfützen umgeschmolzen, in denen dann zu allem Überfluß in der geheimen Schriftsprache der Priester auch noch leicht beweisbare Beschuldigungen gegen hohe Würdenträger eingraviert waren. Öffentliche Rituale wurden immer seltener und auch die Henkersknechte des Hohepriesters machten sich rar, da sie bei jedem öffentlichen Auftritt durch ein mysteriöses Licht aus dem Himmel so lange auf den Boden gepreßt wurden, bis ihre designierten Opfer in aller Ruhe davonspaziert waren. Besonders hartnäckige Schergen verloren außerdem ihre gesamte Rüstung und Bewaffnung, die grundsätzlich wenige Schritte entfernt wieder abgelegt und geschmolzen wurde.

Während sich die eine Hälfte der aktiven Mannschaft auf diese Weise nutzbringend amüsierte, schufteten die anderen an einem orbitalen Transporternetzwerk mit Waffenfunktionen. Zwar ging die Arbeit relativ schnell voran, dennoch wurden in den Hangars immer mehr Arbeitsroboter hergestellt, um beim Eintreffen der noldanischen Schiffe die Aufgabe so schnell wie nur irgend möglich beenden zu können.

Chandron wurde zu dieser Zeit immer ruheloser. Ständig wechselte er das Team, bis er sich schließlich der Eingreifreserve anschloß, die bei krankheitsbedingten Ausfällen oder plötzlich auftretenden  Problemen tätig  wurde und sich während der übrigen Zeit mit wildem Gebastel, vernachlässigten Wartungsarbeiten oder gar dem Kontakt mit den La´alvi Tistain widmeten. Trotz der so gut wie nicht mehr vorhandenen Freizeit wuchs der Drang, mitten in der Arbeit über scheinbar zusammenhanglose Daten zu grübeln. Zusätzlich wurde Chandron immer ruheloser und konnte auch eine unverhältnismäßige Verschlechterung seiner allgemeinen Laune feststellen. Irgendwann mußte er sogar zu stärkeren Mentaltechniken greifen, um überhaupt noch halbwegs einsatzfähig zu bleiben. Nur mit größter Anstrengung gelang es, den ganzen mentalen Abfall unter die Bewußtseinsebene zu drängen. Die anderen Mitglieder des Teams waren selbst zu ausgelaugt, um die feinen Merkmale wahrzunehmen, behandelten chandron jedoch auf instinktiver Ebene deutlich vorsichtiger als normal. Trotz all diesen Problemen schritt die Arbeit zügig voran.

Ein kleiner Teil der Crew beschäftigte sich außerdem mit dem neuen Zuhause für die Priesterkaste und ihre Schergen, falls sich dies für einige unbelehrbare Individuen nach dem Ende der Religionsvernichtung noch nötig erweisen sollte. Das Umleiten einiger kleiner, klimatisch unbedeutender  Meeresströme und die Modellierung eines Unterwassergebirges erzeugte einen kleinen Kontinent, der mitten in einer schnellen Meeresströmung lag und das Anlanden und Ablegen mit Segelschiffen und Flößen so gut wie unmöglich machte. Wenige Tage später waren die Arbeiten beendet und man wartete auf die bestellten Artikel. Dank der kreativen Zermürbungstaktiken wurde der Einfluß der Priester von Tag zu Tag geringer. Durch den Einsatz eines speziell modulierten Traktorstrahles wurden an allen möglichen Orten von Dlasorpab metallische oder keramische Gegenstände in abgestimmte Schwingungen versetzt, was sämtliche Personen im Umkreis zuerst an böse Geister glauben ließ. Als dann die angewendete Technik noch verfeinert wurde, ertönten statt des unheimlichen Gerüttels plötzlich körperlose Stimmen, die mathematische und physikalische Grundlagen vermittelten und auch bisher als göttlich verklärte Naturereignisse deutlich sinnvoller erklärten.

Sämtliche Personen, die im Laufe dieser Entwicklung meinten, sie wären die neuen Auserwählten der Götter sahen sich jedoch bitter enttäuscht. Sobald irgendjemand seine neue Lehre verkündete, wurden er und seine Anhänger von sämtlichen unerklärlichen Phänomenen gemieden. Immer mehr Einwohner diskutierten zuerst geheim, dann jedoch immer offener über die Herkunft und das Wesen der mysteriösen Vorkommnisse. Dämonische Mächte konnten ausgeschlossen werden, da die unbegreiflichen Lichter und Stimmen auch vor Erdbeben und Gewittern warnten, Ertrinkende aus dem Wasser hoben oder neue Brunnen bohrten. Allgemein breitete sich fröhliche Dankbarkeit für die Götter aus, die nun endlich zurückgekehrt zu sein schienen. Ein Großteil der Fröhlichkeit kam wohl auch daher, daß die Priester und ihre Henkersknechte offenbar vollkommen von ihren Göttern ignoriert wurden und von ihrem ehemaligen Rang als herrschende Klasse zu einem vollkommen unbedeutenden Ärgernis degradiert worden waren. Im Weltraum allerdings hatten die Planetensitter von ihrer Aufgabe zunehmend genug.

Als endlich der celarionische Konvoi eintraf wurden die Neuankömmlinge zunächst nur kurz in die Lage eingewiesen, die sofort begonnenen Arbeiten hatten absoluten Vorrang. Wenige Tage später landeten Aleshdan-Träger in mehreren Städten. Zeitgleich begann die flächendeckende Vernichtung der Tempel auf dem gesamten Planeten.

Die entsprechenden Erklärungen, unterstützt von Hologrammen, die die La´alvi Tistain in ihrer früheren Form zeigten, beseitigten nachhaltig die letzten Reste der Religion. Nach mehreren Monaten konnte man die Noparaner, also die ´befreiten Knechte´ auf ihrer umbenannten Welt mit ihrer selbst entwickelten quasi-Anarchie allein lassen. Dlasorpab war nur noch eine böse Erinnerung, die jedoch auf Noparan zur Lehre für die Jugend immer wieder aufgefrischt werden würde.

Nur die installierten Waffenplattformen würden noch lange Jahrhunderte ihre stille Wacht über den Planeten halten,  bis die Noparaner dereinst die Raumfahrt entwickeln und damit den Selbstzerstörungsprozeß auslösen würden. Erleichtert machten sich die Schiffe auf den Heimweg.

Kurz vor dem Aktivieren der Triebwerke überließen die La´alvi Tistain ihren Helfern mit wärmsten Dankesworten noch einen Container voller Datenträger mit dem dazugehörigen Lesegerät. Nachdem sie die fehlerfreie Übermittlung ihres Geschenkes überprüft hatten , verglühte ihr Schiff ohne Überreste und das mentale Band zerfaserte. Die Rückreise in den bekannten Raum war bestimmt von den Diskussionen über das Erlebte und die Auswertung der erhaltenen Datenspeicher.

Zurück in der celarionischen Sicherheitszone wurde der inzwischen automatisierte Ausleseprozeß der La´alvi-Daten und das Kopieren der Daten auf Allianz-Datenträger innerhalb von zwei Monaten abgeschlossen.Die Originale wurden in einen Tank mit Nanosonden versenkt, die die fremdartigen Artefakte vor jedem unbefugten Zugriff und schädlichen Umwelteinflüssen schützen würden. Aufgrund der Tatsache, daß ein Großteil der La´alvi-Technologie auf bisher unerforschter Materie- und Energiemodulation basierte wollte man beim Erreichen einer entsprechend hohen Technologiestufe einen genaueren subatomaren Scan der scheinbar mehrschichtig aufgebauten Datenträger durchführen.

Nach einigen tiefgreifenden Modifikationen der Intrepid und der Aufrüstung der Hangars mit Startvorrichtungen für Aleshdan-Träger machte sich der mobile Teil der Deran-th´ra-Allianz wieder auf den Weg in den Tiefraum. Weit entfernt von allen bekannten Machtblöcken begann der Umbau der brandneuen Kampfschiffe zu überschweren Waffenträgern. So entstanden neben den standardmäßigen Aleshdan-Trägern noch Varianten, die bis zu 50 Photonentorpedos der Standardgröße auf einmal abschießen konnten. Jeweils 25 Torpedos ersetzten dabei einen der  sonst mitgeführten Deggonar-Kampfgleiter und das Startkatapult wurde derart modifiziert, daß wahlweise ein langer Feuerstoß aus kurz nacheinander abgefeuerten Projektilen oder aber ein schlagartiges Abfeuern aller Torpedos möglich war.

Um eventuell gegen Antimaterieexplosionen wirksame Schilde auszuhebeln wurden zusätzlich einige Pulsladungstorpedos mit stark voneinander abweichenden Wellenfrequenzen in die Geschoßsammlung hineingemischt. Radikalere Vorschläge führten später sogar dazu, daß bei einigen wenigen Aleshdans auch noch die Startkatapulte abgebaut  und stattdessen schwere Angriffsphaser und Disruptoren montiert wurden, die wie der uralte YAG-LASER trotz ihrer unterschiedlichen Abstrahlfrequenzen in einem gemeinsamen Mischstrahl zusammenfokussiert werden konnten. Am 13.02.2365 waren sämtliche nach der La´alvi-Affäre begonnenen Arbeiten endlich abgeschlossen.

Probeflüge und Waffentests der Aleshdan-Träger hatten noch einige Schwachstellen im Design der Hüllenkonstruktion und in den Spezifikationen der Energiesysteme aufgezeigt. Gerade die überschweren Waffenmodule forderten den Einbau von zusätzlichen Energiebanken, um die Betriebssicherheit an die RogueFleet-Standards anzupassen. Jetzt wurden erstmals die neuen Erkenntnisse der mittlerweile verschwundenen Energiewesen eingesetzt, da ein ´normales´ Energienetz samt entsprechendem Reaktor in der benötigten Leistungsklasse das Abfluggewicht beinahe verdoppelt hätte. Bei der Hüllenverstärkung erwiesen sich die h´siffanschen Kristallkeramiken als wahrer Segen, obwohl die Übergänge zu den altbewährten Duraniumlegierungen sicherheitshalber etwas größer und belastbarer als geplant ausfielen.

An diesen Arbeiten waren hauptsächlich Personen mit celarionischer oder noldanischer Ausbildung gefordert, was dafür sorgte, daß Chandron in den folgenden vier Monaten recht gut beschäftigt war.

Mit dem offiziellen Ende der Umbau- und Korrekturmaßnahmen  am 21.6.2365 fand er jedoch keine wirkliche Ruhe. Zu viele Ideen und Denkansätze hatten sich in den letzten Jahren angesammelt und brachen  aus dem Unterbewußtsein hervor.Ohne groß über die plötzliche Ideenflut nachzudenken, belegte Chandron einen mittelgroßen Fertigungsraum in der Nähe des Startkatapults, das seinem persönlichen Kampfgleiter zugewiesen worden war. Nach dem Einbau mehrerer exotischer Werkzeuge, eines direkten Terminals zur RogueFleet-Datenbank, eines Nahrungsmittelreplikators, eines Bettes und einer Hygieneeinrichtung waren die Vorarbeiten beendet. Zwei Wochen später verließ er das erste Mal seine Werkstatt, um ein Datenkabel zu seinem Kampfgleiter zu legen. Der ausgiebige Datentransfer zwischen Werkstatt und Deggonar-Kampfgleiter, der in den folgenden Tagen stattfand, verlief zwar eher unbeachtet, das anschließende Einparken des Kampfschiffs in den Werkraum wurde jedoch von einer relativ großen Zuschauermenge beobachtet. Wieder sah und hörte man wochenlang nichts von Telgans Sohn. Von den Eingeweihten war Shuq´tep´h der einzige, der diese Entwicklung vorausgesehen zu haben schien. Ihm war es zu verdanken, daß die kreative Abgeschiedenheit, die zur Vervollkommnung einiger merkwürdiger Ideen unerläßlich war, nicht unnötig unterbrochen wurde.

Am 8.11.2365 kam Chandron endlich wieder heraus. Nachdem er den wieder einmal umgebauten Kampfgleiter in die vorgesehene Startbucht gebracht und den Werkraum in den Urzustand versetzt hatte, begab er sich in seine Kabine, um sich erst einmal auszuruhen. Zwei Tage später erhielt er Besuch von Shuq´tep´h. Der erste Versuch, eine gemeinsame Gesprächsbasis zu finden, schlug erwartungsgemäß fehl, da beide eine Unzahl verschiedenartiger Erlebnisse mitzuteilen versuchten. Nach mehreren vergeblichen Ansätzen einigte man sich schließlich auf einen weiteren Mentalkontakt. Da Chandrons Kabine durch den Tod seines Vaters nur noch die Grundfläche hatte, die Einzelbewohnern zustand, war für Shuq´tep´h´s massigen Körper kein Platz mehr. Um den geplanten Gedankenaustausch dennoch ungestört und privat vollziehen zu können, schleppte Chandron eine Konturliege in die deutlich geräumigere Kabine seines xarellianischen Freundes.

Diesmal wurde jedoch nicht der Humanoide durch ein Übermaß an gleichzeitigen Bewußtseinsfragmenten mental überrannt, sondern der Xarellianer. Nur mit Mühe gelang es Shuq´tep´h, wenigstens zwei Fragmente aus dem überwältigenden Datenstrom auszuklinken und den Vorgang beobachten zu lassen. Nur sechs Toryn – knappe 52 Sekunden – benötigten die verbundenen Gehirne, um eine Datenmenge auszutauschen, die bei der Übertragung der Informationen in einer geordneten Reihenfolge fast einen Monat gebraucht hätte. Chandron zeigte sich nach der Unterbrechung des Kontakts deutlich fassungsloser als Shuq´tep´h, obwohl auch der an parallele Mentalkontake gewöhnte Xarellianer über die Bandbreite der Verbindung sehr überrascht war. Nach einer kurzen Diskussion über die Folgen des soeben erlebten sorgten die Beiden für Abhilfe. Glücklicherweise waren die benötigten Fachkräfte gerade auf der Intrepid anwesend und arbeitsmäßig nicht besonders ausgelastet.

Im Vergleich zu den sonstigen Ausbildungen machte die erweiterte Mentalschulung unter Aufsicht der vier begabtesten Telepathen mit Unterstützung Shuq´tep´h´s eher einen untergeordneten Eindruck. Was waren schon drei Wochen gegen die sechs Jahre auf Celarion?

Dennoch schienen gerade diese drei Wochen, wo das Hirn des Schülers sich noch nicht einmal auf eine der unterbewußten Ebenen zurückziehen durfte, da auch diese stetig trainiert wurden, deutlich mehr Kraft abzufordern als die körperlichen Strapazen der noldanischen Schmiedeausbildung, die scheinbar endlosen Konzentrationsübungen auf Celarion oder die seelische Belastung des noldanischen ´Aufnahmetests´. Sowohl Schüler als auch Ausbilder waren am Ende jedes Unterrichtsblocks sichtbar erschöpft, jedoch trotzdem mit den Ergebnissen der gemeinsamen Anstrengungen sehr zufrieden. Die neu antrainierten Mentalbarrieren würden zukünftig den Informationsfluß aus dem Unterbewußtsein deutlich besser filtern, sodaß nicht noch einmal über dreihundert Ideen gleichzeitig auf ihre Verwirklichung drängen würden. Diese zusätzliche Bewußtseinsebene begrenzte jedoch nicht nur die Belastung für Chandron, sie diente gleichzeitig als eine Art Zwischenspeicher, damit die Zeit, die für das systematische Abarbeiten der ersten Ideen in der ´Warteschleife´ erforderlich war, nicht zum Vergessen der folgenden Einfälle führen konnte . Mit zunehmender Gewöhnung an diesen neuen Teil seiner Persönlichkeit würde Chandron eines Tages dazu in der Lage sein, auch scheinbar fertige Projekte – quasi als Arbeitskopie - nochmals zurück auf die unterbewußten Ebenen zu transferieren , um sie nochmals optimieren zu lassen.

Gerade das Fehlen adäquater Fachbegriffe beim Umtrainieren seiner Hirnstruktur führte nach einer angemessenen Erholungspause dazu, daß sich Chandron an ein punktuelles Studium der aktuellen und vergangenen Computertechnik machte. Im Gegensatz zum Großteil der Mitstudenten konzentrierte er sich jedoch nur auf die für ihn wichtigen Teilbereiche, die beim Verständnis neuronaler Netze und der hardwarenahen Programmierung und Entwicklung relevant waren. Zusätzlich legte er ein deutlich gesteigertes Interesse für Sicherheitslücken und deren Nutzbarkeit sowie die sogenannten ´illegalen Steuercodes´ an den Tag. Speziell diese letzte Technik, deren Ursprünge sich auf der Erde bis ins Jahr 1983 zurückverfolgen ließ, brachte bei konsequenter Anwendung eine deutliche Effizienzsteigerung bei der Nanosondenprogrammierung mit sich und war auch später noch der grundlegende Schlüssel zum Sieg über feindliche Technologien. Man nutzte lediglich die Tatsache, daß jede an einen Prozessor angelegte Bitkombination außerhalb der vom Hersteller angegebenen, „offiziellen“ Kommandosequenzen irgendetwas auslöste. Zwar kamen bei diesen wilden Experimenten zum größten Teil nur Fehlermeldungen und Abstürze heraus, doch mit einigen wenigen Kobinationen ließ sich innerhalb eines Taktzyklus tatsächlich mehr als ein Befehl gleichzeitig ausführen. Fand man erst einmal so einen Doppel- oder gar Dreifachbefehl, mußte man sich nur noch einen Verwendundszweck einfallen lassen. Eine semiintelligente Optimierungsmatrix erledigte dann den Rest, indem sie alle gefundenen ´illegalen´ Befehlsketten auswertete, speicherte und bei Bedarf ein normalerweise deutlich größeres (und deswegen langsameres) Programm mit ihnen sichtbar verkleinerte. Dies sparte nicht nur Speicherplatz und Rechenzeit, sondern barg auch die innere Befriedigung in sich, mehr über den entsprechenden Prozessor zu wissen als der Hersteller selbst. Einige Tage amüsierte sich Chandron damit, verschiedenartige Nanosonden mit einer immer besseren Programmierung zu versehen, und in einem mikroskopischen Turnier gegeneinander antreten zu lassen. Währenddessen wurde der Datenfilter wiederum in den alten Geschichtsspeichern fündig. Der als „Glücklicher Rechner“ oder „Happy Computer“ bezeichnete Zeitschriftenrest aus den Jahren um 1986 berichtete von einer selbstmodifizierenden Programmierung und einem ´doppelten´ Programmsegment, daß zwei verschiedene Programme im selben Speicher vereinte, die lediglich durch die unterschiedliche Startadresse auseinanderzuhalten waren. Hierbei wurde die Tatsache genutzt, daß die meisten Befehle mehr als ein Byte groß waren, sodaß man bei entsprechend sorgfältiger Programmierung an eine ´ungerade´ Adresse – also mitten in eine Befehlskette - springen konnte, um ein nur um wenige Speicherzellen verschobenes ´zweites´ Programm zu starten.

Zwar war die Anwendungsmöglichkeit dieser Programmierungsart eher begrenzt und bestenfalls zur Verschleierung einiger geheimer Softwaresegmente zu gebrauchen, dennoch konnte gerade diese nicht mehr allgemein bekannte Verschlüsselungsform für manche unliebsame Überraschung bei gegnerischer Überwachungssoftware und anderen unliebsamen Hindernissen führen.

Die selbstmodifizierenden Programme überschrieben sich dagegen während des Laufens selbst und veränderten so ihre Wirkungsweise. Besonderen Nutzen mochte diese Eigenart beim situationsabhängigen Anpassen von autarken Sonden bringen, doch durfte man auch den Vorteil eines Programms nicht außer Acht lassen, bei dem nur der aktuell bearbeitete Teil im Hauptspeicher vorhanden war und die jeweils benötigten Modifikationen aus fremden Datenträgern oder komprimierten Teilen des Speichers hinzugeladen und ohne großen Zeitverlust ausgeführt werden konnten.

Auch diese ´neuen´ alten Techniken schienen im Lauf der Jahrhunderte in Vergessenheit geraten zu sein, weswegen sich Chandron einigen weiteren Experimenten widmete, um im Bedarfsfall einige taktische Vorteile gegenüber eventuellen Gegnern zu haben.

Am 27.12.2365 empfing die Intrepid ein Prioritätssignal von einer kleineren RogueFleet-Einheit. Der umgebaute Bird of Prey sendete genaue Anflugvektoren für einen Abfangkurs auf einen größeren Verband Piratenschiffe, die auf einer technologisch rückständigen Welt Sklaven gejagt hatten. Eine Art kampflustiger Vorfreude breitete sich unter der gesamten Mannschaft aus. Zwar war der Anlaß nicht gerade erfreulich, dennoch brannten alle darauf, die neuesten Modifikationen seit dem La´alvi-Zwischenfall endlich im Gefecht auszuprobieren. Speziell die Kampfpiloten erwarteten sehnsüchtig eine Gelegenheit, die neuen Aleshdan-Träger und die optimierten Thurngarr- und Deggonar- Kampfschiffe im echten Gefecht bis an die Grenzen der Leistungsfähigkeit auszutesten. Noch während des Anflugs mit Höchstgeschwindigkeit meldeten sich zwei weitere Einheiten im Sektor, die ebenfalls an der Jagd teilnehmen wollten.

Als die vier RogueFleet-Schiffe sich den Sklavenhändlern in den Weg stellten, fielen jedoch nicht alle  Gegner aus dem Warp. Den Energiesignaturen nach stellte sich nur ein mittlerer Kampfverband dem Feind, während die stärksten Kampfeinheiten die kostbaren Frachter in Sicherheit bringen wollten. Ohne daß irgendeine Art der Absprache nötig gewesen wäre, machte sich das ursprünglich klingonische Schiff sofort im getarnten Zustand an die Verfolgung, während die Intrepid ihre Angriffspiloten zunächst enttäuschte und statt des sofortigen Starts aller Kampfjäger im Verband mit den beiden anderen Schiffen die schwersten verfügbaren Waffen auf die Gegnersammlung entlud. Die kleine Piratenflotte, die offensichtlich zuerst an einen leichten Sieg gegen lediglich drei Feinde geglaubt hatte, mußte mit Entsetzen feststellen, daß schon die erste Salve dieser teilweise sehr merkwürdig aussehenden Schiffe die Hälfte ihrer Flottille zerstört oder kampfunfähig gemacht hatte.

Die hastig ausgeführten Angriffs- und Ausweichmanöver brachten keine wesentliche Besserung und das Ende kam durch sie noch rascher, da die unbeschädigten Schiffe ihre angeschlagenen Kumpane zu decken versuchten und ihnen deswegen zu nahe kamen, um dem folgenden massiven Angriff auszuweichen. Kreuzfeuer aus den Singularitätswerfern erzeugte an vorausberechneten Kursknotenpunkten resonierende schwarze Löcher, die sich in ihrer Wirkung beim Auftreffen aufeinander in wahre Gravitonenfallen verwandelten und gleich mehrere Piraten regelrecht auf ein und denselben Punkt ´saugten´,  was diese Angelegenheit schnell erledigte. Man ließ den Energiebanken allerdings nur wenig Zeit zur Wiederaufladung, sondern sprang schnellstmöglich in den Warp, um den Richtfunksignalen des Verfolgers hinterherzufliegen.

Langsam tasteten sich die drei RogueFleet-Schiffe an das Emissionsmuster ihres Kameraden heran, bis die Piratenflotte wieder klar auf den Scannern zu erkennen war. Noch im Warpflug begab man sich in eine umgedrehte V-Formation, die die Piraten in die Zange nahm und die Position ihres getarnten Mitstreiters nicht verriet. Als sich die Warpblasen schon fast berührten sendeten die langsamsten Schiffe ein Ultimatum: Jeder Versuch, die Piraten aus dem Warp zu drängen würde den Tod von fünfzig Sklaven zur Folge haben. Verschärft wurde diese Botschaft durch das gesendete Bild von verängstigten Humanoiden, die panisch auf das Atmosphärenkraftfeld des Laderaums – und ganz besonders auf die weit geöffneten Ladeschotten dahinter -  starrten. Die Ratlosigkeit bei den Verfolgern dauerte nicht allzu lange. Kurzentschlossen wurden aus den eben erst umgebauten Aleshdan-Trägern sämtliche mühevoll eingepaßten Waffen entfernt und stattdessen ein Transportersystem, ein Warpblasenangleicher und ein erweitertes Lebenserhaltungssystem eingebaut.

Zwar bestiegen die zugewiesenen Piloten für die Aleshdans nun deutlich weniger begeistert ihre verkrüppelten  Angriffsschiffe, dennoch ließ die Not der Gefangenen keine Proteste aufkommen. Mit entschlossenem Blick starteten die Piloten in mehreren Staffeln ihre umgebauten Waffenträger, begleitet von ihren Kameraden in Thurrngarr- und Deggonar-Kampfschiffen. Kaum aus dem Mutterschiff heraus, ließen sie sich durch die im Voraus abgeglichenen Warpblasenangleicher in die gegnerischen Antriebsfelder hereinziehen und starteten sofort den Angriff. Die Zielerfassungsdaten der leistungsfähigen Angriffsscanner wurden augenblicklich an die Transportersysteme in den Aleshdans weitergeleitet, deren umprogrammierte Schiffscomputer die Gefangenen mit maximaler Effizienz in Sicherheit beamten. Einer der Piraten deaktivierte zwar noch sein atmosphärisches Kraftfeld , dennoch konnten die wenigen, bis dahin noch nicht herausgebeamten Geiseln noch rechtzeitig in Sicherheit transportiert werden. Die blanke Wut über dieses feige Verhalten sorgte für einen rekordverdächtig schnellen Abschuß der Übeltäter durch die beinahe durchdrehenden Kampfpiloten in den Deggonars und Thurrngarrs. Ohne Rücksicht auf die eigene Gefährdung begannen die Deggonars sich überkreuzende Linien in die gegnerischen Schiffe zu schneiden, deren  Kreuzungspunkte von den Thurrngarrs mit schweren Linearbeschleunigern punktiert wurden.

Jeweils kurz vor dem Zusammenbruch der Eindämmungsfelder ließen sich die Angreifer aus der feindlichen Warpblase herausfallen und von ihren Mutterschiffen wieder einsammeln.

Als die letzte Warpblase der Piraten zusammenbrach und das letzte Schiff detonierte, ließen sich auch die verbliebenen Kampfschiffe wieder in das Antriebsfeld ihres Mutterschiffs saugen, landeten schnellstmöglich und munitionierten wieder auf. Die Piloten brannten darauf, auch den Rest der Mörderbande zu vernichten und warteten nur noch auf die Startfreigabe und die Nachricht, daß alle Gefangenen außer Gefahr gebracht worden waren.

Wieder krochen die bei diesen Manövern leicht zurückgefallenen RogueFleet-Schiffe langsam an ihre Beute heran. Diesmal jedoch wollten die Piraten kein Risiko mehr eingehen. Sämtliche Schiffe flogen in unterschiedliche Richtungen davon, sodaß man die Kampfjäger, Bomber und Aleshdan-Träger per Alarmstart in alle Warpblasen injizierte, die man in den wenigen Momenten, die dafür zur Verfügung standen, noch erreichen konnte. Die Mutterschiffe machten sich an die Verfolgung aller noch erreichbaren Piratenschiffe, wobei den Sklavenfrachtern höchste Priorität eingeräumt wurde. Die kleineren und schnelleren Kampfkreuzer ließ man zunächst entkommen, konnte dafür allerdings alle Frachter entweder selber jagen oder mit gestarteten Jägern in Bedrängnis bringen.

Für die alleingelassenen Kampfschiffe war diese Situation allerdings sehr unangenehm. Sollte der lebenswichtige Warpblasenangleicher ausfallen, würden die Mutterschiffe einen verdammt großen Raum abzusuchen haben, um die verlorenen Einheiten wieder einzusammeln.

Ein Pirat nach dem anderen fiel der Vernichtung anheim. Sobald sichergestellt war, daß keine Gefangenen mehr an Bord waren, was durch die zu den Piraten unterschiedliche Genetik eindeutig festzustellen war, wurde das Feindschiff zum Abschuß freigegeben. Die nach Föderationsstandard bewaffneten Piratenschiffe hatten keine Chance gegen die kleinen und wendigen Jäger und Bomber, die scheinbar mühelos im toten Winkel der Phaserprojektoren blieben und ihre monatomaren und kraftfeldverstärkten Schneidklingen zum Aufschlitzen der Schiffshülle nutzten. Die Bomber hämmerten zusätzlich noch einen Strom ionisierter Plasmabolzen in die malträtierten Außenwände der Piraten, deren Schildemitter wegen des stetigen Hüllenkontakts durch die Schneidklingen einfach unterlaufen wurden. Selbst als die Sklavenjäger in höchster Not ihre Schilde auf ´Rumpfkontakt´ umkalibrierten wurde die schützende Kraftfeldladung auch auf die Angreifer übertragen, so daß diese ihr zerstörerisches Werk wie ein Frettchen unter der Bettdecke vollenden konnten.

Das Ende kam bei allen Frachtern rasch. Die zusammenbrechenden Warpblasen wurden in den Navigationscomputern der Mutterschiffe gespeichert, die noch drei Stunden nach dem Ende der letzten Kämpfe ihre Kampfpiloten und die befreiten Gefangenen in den umgebauten Aleshdans wieder einsammelten.

Als sich die drei siegreichen Schiffe zum Rückflug formierten, enttarnte sich auch der modifizierte Bird of Prey, der im Alleingang noch zwei der Piratenkreuzer zerstört hatte und ging in Formation. Da sich dieses Schiff als eine der wenigen ´kleinen´ RogueFleet-Einheit nicht auf eigene Jäger verlassen konnte und auch den letzten großen Bastelwahn nicht mitgemacht hatte war es deutlich schwerer beschädigt als die im Vergleich riesigen Mutterschiffe, dennoch hatte es seine Aufgabe ebenso erfolgreich bewältigt wie seine Kameraden.

Auf der entspannten und relativ langsamen Rückreise widmete man sich den Reparaturen und dem erneuten Umbau der Aleshdans in ihre eigentliche, tödliche Form. Um bei ähnlichen Fällen nicht noch einmal derartig viel Zeit für den Umbau der Waffenträger zu verlieren wurde auch das Design der modularen Waffen- und Ausrüstungssysteme noch einmal deutlich optimiert.

Im Orbit um den Heimatplaneten der entführten Wesen stieß man allerdings auf eine Überraschung. Gleich dreizehn Föderationszerstörer führten Tiefenscans der Umgebung durch und waren einhellig der Meinung, die RogueFleet-Schiffe für die Entführung der Eingeborenen verantwortlich machen zu müssen, da ihre Triebwerkssignaturen natürlich die aktuellsten im Raum um den Planeten waren. Nur die einstimmigen Aussagen aller entführten Individuen in Verbindung mit den Sensorenlogs der Intrepid konnten die übereifrigen Helfer von den Tatsachen überzeugen.

Erst eine Woche nach diesen Ereignissen bequemte sich die Föderation zu einer hingeschluderten Entschuldigung. Wesentlich wichtiger als dieses eher nutzlose und nicht besonders dekorative Schreiben war allerdings, daß RogueFleet endlich von der Liste der potentiellen Verbrecherorganisationen gestrichen wurde. Jetzt konnte man sich auch in das legale Handelsnetzwerk einklinken und an Raumstationen andocken, ohne irgendwelchen Restriktionen ausgesetzt zu sein.

Zwar vermehrte das Andocken an Föderationsstationen die Arbeit der Spionageabwehr, dennoch überwogen die logistischen Vorteile. Abgesehen davon sparte man eine Menge Zeit und Energie, wenn man befreite Sklaven einfach in der nächsten Raumstation abladen konnte, statt sie direkt in ihre meist weit entfernten Heimatsysteme zu bringen.

Zurück im Tiefraum machte man sich an die Arbeit, ein experimentelles Konzept zur Erfassung getarnter Schiffe auszuprobieren. Der bislang einzige „freie“ Bird of Prey, dessen Mannschaft wegen der Intrigen und des feigen Verhaltens des Hohen Rats während der ersten Durass-Krise dem Imperium den Rücken gekehrt hatte, fungierte als Testobjekt. Im Gegensatz zu den „normalen“ aktiven Sensoren kam hier ein schwaches Reflexionsfeld zum Einsatz, das die abgestrahlten Wellen der Sensoremitter wieder zurück an ihren Ursprung spiegelte. Die Strahlungskrümmung des Tarnfeldes sorgte für eine meßbare Verzögerung der zurückkommenden Signale und ließ so Rückschlüsse auf Umfang und Feldstärke des Tarnschirmes zu. Durch einige angepaßte Berechnungen aus dem Bereich der Dopplerortung konnte man zusätzlich Kurs und Geschwindigkeit extrapolieren. Nach dem Abschluß der Feinjustierungen machte sich das ehemals imperiale Schiff auf den Weg zur nächsten selbst gewählten Mission, während die Intrepid ihren eigenen Kurs verfolgte. Der derzeitige Captain, Ilura Nesellis , freute sich schon auf das Ende ihres Dienstes, als die Nahbereichssensoren plötzlich durchdrehten und die Kollisionsautomatik das Schiff in einem wilden Ausweichmanöver quer zum bisherigen Kurs legte, sämtliche verfügbaren Antriebe auf Überlast schaltete und mit dem letzten Bißchen Schwung wieder frontal zum georteten Hindernis drehte. Die grundsätzlich auf fünf Prozent der Nominalleistung laufenden Schilde wurden ebenfalls automatisch auf achtzig Prozent hochgefahren und der Erhaltungsladestrom der Waffenbanken drastisch verstärkt.

Kurz darauf kamen die ersten Daten herein. „Metallisches Objekt direkt vor uns. Herkunft, Zweck, Ursprung und Antrieb unbekannt. Scanner laufen.“ Ilura stöhnte verhalten. Nur noch knappe 80 Toryn und der Vorfall wäre in der nächsten Schicht passiert. Egal - je schneller man wußte, was man von diesem unerwarteten Hindernis zu halten hatte, desto schneller war sie den unbeliebtesten Posten des Schiffes wieder los.

„Irgendwelche Besonderheiten ?“

„Unbekannte Metallegierung, keine Schilde, ein humanoides Wesen als Besatzung, Datenbanksuche und Analysen laufen weiter.“

„Schickt die Daten an unsere technisch interessierten Besatzungsmitglieder, vielleicht können die dieses Ding irgendwo einordnen.“

„Habe die gesamten Informationen schon auf den üblichen Intercom-Kanal gelegt.“

Jetzt gab es nichts mehr zu sagen, bis irgend jemand sich einen Reim auf die merkwürdigen Daten machen konnte. Ilura überlegte fieberhaft. Eine Technologie, die die Erfassungsperimeter der Intrepid unterlaufen konnte sollte eigentlich auch eine Art Schild oder Kraftfeld hervorbringen können. Trotzdem schien dieses merkwürdige Objekt gegen die üblichen Gefahren des Weltraums vollkommen ungeschützt zu sein.

„Erste Querverqeise aus den Datenbanken. Objekt ähnelt rein äußerlich einem Bodenangriffsfahrzeug aus dem sogenannten ersten Weltkrieg von Sol III beziehungsweise Terra.“

„Schilde auf Nominalleistung, Bereitschaftsalarm für die Kampfgeschwader, maximaler Ladestrom für Waffenbanken! Drei Sensorphalanxen auf Suche nach Föderationstechnik optimieren!“ Hektische Betriebsamkeit erfüllte das Schiff. Anfragen und Bestätigungen jagten durch die internen Kommunikationssysteme, während die Kampfpiloten sich schnellstmöglich zu ihren Schiffen begaben und der Rest der ausgebildeten Besatzung entweder zu den entsprechenden Stationen hastete oder sich ins Datennetz einklinkte, um bei eventuellen Analysen helfen zu können. Einige Herzschläge später liefen die vorläufigen Auswertungen auf dem Hauptschirm zusammen.

„Keinerlei raumtauglicher Antrieb. Die Maschine wird durch einen primitiven Fusionsreaktor mit Energie versorgt, die Waffensysteme beruhen größtenteils auf chemischen Explosivstoffen. Keine nennenswerten Sensoren. Der Insasse wird durch eine energetische Rüstung am Leben erhalten, die irgendwie mit seinem Nervensystem interagiert.“

„Was, bei Nshapps Verzweiflung, ist uns denn da in die Quere gekommen?“

„Wenn das tatsächlich ein Bodenangriffsfahrzeug ist, muss ihn irgend jemand im Flug aus dem Frachtraum verloren haben.“

„Egal! Hat das Ding irgendwelche ERNSTZUNEHMENDEN Waffen?“

„Negativ. Bei dem Rückstoß, den diese dicken Kanonen garantiert haben, würde ein Angriff außerdem zu einem unkontrollierbaren Kurs führen.“

„Schilddurchlässigkeit für Präzisionsscanner modulieren. Submolekularen Rasterscan einleiten!“

„Bestätigt. Scan startet in 3 Toryn.“ 

Darius Antonius Tactus wurde durch die kontinuierlichen Alarmmeldungen seiner Rüstung geweckt. Offenbar war er irgendwie der Zerstörungswelle entkommen. Noch immer gellten die Rufe seiner Kameraden im Ohr, die die abartige Waffe des Gegners erkannt hatten. „Vortex-Bomben! Stürmt voran, Brüder! “ Langsam klärte sich sein Blick. Trotz einiger sehr merkwürdiger Schmerzen und Nervenzuckungen zwang er sich dazu, die Anzeigen seiner Servorüstung zu überprüfen. Energiereserven niedrig. Notreserve intakt. Osmosefilter verschlossen? Atmosphärenanteile.... VAKUUM ?!?

Diese vollkommen widersinnige Anzeige sorgte für sofortige, schockartige Kampfbereitschaft. Darius sah sich hektisch um, der Panzer schien unversehrt, die Munitions- und Waffenanzeigen ließen auf brauchbaren Zustand der Systeme schließen. Das Zielfolgeradar zeigte ein mehrere Kilometer großes, nicht imperiales Objekt mit wahrnehmbarem energetischem Niveau, daß sich auf Zielpeilung 138 befand. Egal. Es war mehr als genug, einer Vortex-Sphäre entkommen zu sein. Noch auf perfekten Zustand aller Systeme im erweiterten Wirkungsbereich dieser Waffe zu hoffen, wäre fast schon blasphemisch. Darius ließ das unsinnig große Ziel in den Feurleitrechner einspeisen und die Hauptwaffen darauf ausrichten. Irgend etwas stimmte nicht mit ihm. Noch immer konnte er kein Gewicht empfinden und die Bewegung der Geschütze ließ den Panzer irgendwie schlingern. Ein Blick auf den Zielschirm ließ ihn mitten in der Bewegung erstarren. Das Radar war vollkommen in Ordnung. Die Anzeige seiner Rüstung ebenfalls. Irgendwie war er von der Oberfläche des Planeten in den Weltraum geschleudert worden. Und das auch noch direkt in den Weg eines nicht imperialen - also feindlichen - Schiffes. Ohne merkliches Zögern aktivierte er sämtliche Angriffsysteme und ließ die Zielerfassungsdaten der Sensoren in den Feuerleitrechner einspeisen. Munitionsgurte und Kanonenverschlüsse bewegten sich, als sämtliche dem Feind zugewendeten Waffen ihre Ladekammern mit den schwersten verfügbaren Geschossen füllten.

„Aktvität im Zielobjekt. Sämtliche Waffen richten sich auf uns.“

„Meint der das ernst?“

„Schilde verstärken, Präzisionsscan auf Standby, Zieldaten an Waffenkontrolle.“

„Was für Zieldaten? Das Teil hat weder Antrieb, noch Lebenserhaltung oder Schilde!“

„Und die Waffen?“

„Status unbekannt. Laut Analyse sind das alles rein chemische Spreng- und Antriebsstoffe. Irgendwas bewegt sich jedenfalls in diesem Ding.“

Ilura wurde langsam wütend.„IRGENDWAS? Kann ich das vielleicht ETWAS genauer haben?“ Mehrere Detonationen an den Frontalschilden und die plötzlich hochschnellenden Belastungsanzeigen der Deflektoren beantworteten ihre Frage.

Das Abfeuern der Kanonen erwies sich als Fehler. Ohne Schwerkraft und den dazu passenden Untergrund sorgte der Rückstoß aller großkalibrigen Waffen dafür, daß der Panzer unkontrollierbar ins Taumeln geriet. Die Schilde der Intrepid wurden problemlos mit den wenigen Projektilen, die zumindest grob in die beabsichtigte Richtung flogen fertig. Darius wurde im Innern entsprechend umhergewirbelt, bis ihn plötzlich ein merkwürdiges Kribbeln erfaßte. Ohne Waffen materialisierte er in einem fremdartig eingerichteten Raum. Gleichzeitig enterte ein Außenteam seinen Panzer, analysierte und sicherte die Waffensysteme und verfrachtete dieses absonderliche Stück Technik nach einem eingehenden Scan in ein Stasisfeld. Chandron hatte sich bisher eher zurückgehalten, rief aber sämtliche erhältlichen Daten über dieses nicht raumtaugliche Vehikel ab, sobald sie verfügbar waren.

Zwei volle Monate lang hörte man kaum etwas über den ehemaligen Insassen der seltsamen Angriffsmaschine, die so plötzlich in den Kurs der Intrepid geriet. Nur einige wenige Individuen suchten auch weiterhin nach einer Erklärung für das Auftauchen eines Kampfpanzers an einem dermassen unpassenden Ort. Der abgebrochene Präzisionsscan hatte einige intradimensionale Partikel in der Materie des Objekts nachgewiesen, bevor sie sich an das Schwingungsniveau dieser Daseinsebene angleichen konnten. Die meisten Theorien nach der Entdeckung dieser Absonderlichkeit gingen dahin, daß dieser Fremdling samt seiner Maschine das Opfer eines mißlungenen Transporterexperimentes war. Das hohe Aggressionspotential des „Transportierten“ ließ allerdings darauf schließen, daß dieser Versuch nicht unbedingt mit seinem Einverständnis stattfand. Chandrons Meinung stimmte zwar mit einigen dieser Annahmen durchaus überein, dennoch bereitete ihm die allgemeine Deutung der Daten irgendwie fast schon körperliches Unbehagen. Die intuitive Sicherheit, daß etwas Grundlegendes übersehen worden war, daß nicht alles wirklich zusammenpaßte, kratzte an seinem Wachbewußtsein. Als er sich immer weniger auf seine eigentlichen Projekte konzentrieren konnte, besorgte er sich schließlich völlig irritiert die Zugangscodes für das Stasisfeld des Panzers und begann eine eingehende Untersuchung der Technologie und vor Allem der eingespeisten Feinddaten des Feuerleitrechners. Das vollkomman andersartige Waffendesign und die unbekannten Schaltungsphilosophien gaben nur unzureichend Auskunft über den tatsächlichen Entwicklungsstand der Fremden. Keine der Waffen war irgendeinem bekannten Machtblock zuzuordnen, die Sensoren und elektronischen Baugruppen waren samt und sonders mit totenschädelförmigen Schweißnieten versiegelt. Einige Datenleitungen schienen zu einer Art Selbstzerstörungsmechanismus zu führen. Kurzentschlossen unterbrach Chandron seine Arbeit an diesem Punkt, ließ die Kampfmaschine subatomar scannen und kopierte die so erzeugte Scanmatrix in einen Datenträger zur Holodeckprogrammierung. Anschließend wurde das Original wieder ins Stasisfeld gehüllt und der Datenblock von allen giftigen und explosiven Molekülen befreit. Die Projektion im Holodeck war natürlich um einiges einfacher zu analysieren, als das Original im Stasisfeld. Stundenlang lösten sich die einzelnen Panzerplatten auf Befehl in Luft auf, wurden Baugruppen durchsichtig und flossen sichtbar gemachte Steuerimpulse in simulierte Schaltungen. Bei der Untersuchung der fremden Datenspeicher mußte Chandron mehrere Male komplett neu anfangen, da mehrere zunächst passive Systeme jedesmal den Inhalt der Datenspeicher löschten, wenn irgendeine unbekannte Schutzmaßnahme Chandrons Abfragen als unerlaubtes Eindringen erkannte. Einige Tage später hatte er endgültig genug. Die Speicherbausteine wurden von normalen, beschreibbaren RAM-Chips in ROM-Bausteine umgewandelt, an deren nicht modifizierbaren Inhalten sich die aktivierten Löschbefehle totliefen. Allerdings kam durch den Signalkurzschluß die nächste Sicherheitsmaßnahme der unbekannten Erbauer zum tragen - der erhöhte Stromfluß ließ die Leiterbahnen verdampfen. Chandron stöhnte entnervt, kopierte dann das letzte Backup über das aktuelle qualmende Chaos und ersetzte die ursprüngliche Legierung der Datenleitungen durch ein deutlich robusteres Material. Als dann endlich auch die letzten Sicherheitsvorkehrungen ins Leere liefen, enthüllte der Inhalt dieser Speicherbanken noch immer nichts. Das mühsam gewonnene Material war nicht nur in einer vollkommen unbekannten Sprache, es war auch noch wirksam verschlüsselt.

Chandron widerstand nur mit Mühe der Versuchung, den ganzen holografischen Mist zu löschen und kopierte stattdessen den extrahierten Datenmüll sorgfältig auf einen externen Datenträger. Vielleicht war ja der Pilot dieser maschinellen Zumutung mittlerweile bereit, wenigstens ansatzweise zu kooperieren. Dieses komische Angriffsfahrzeug samt seinen merkwürdigen Waffensystemen wies nur in einer Hinsicht Ähnlichkeiten mit den bekannten Pfuscharbeiten der Föderation auf: Auch hier waren eigentlich logische Weiterentwicklungen und Funktionsoptimierungen scheinbar absichtlich nicht ausgeführt worden.

Bevor jedoch ein Gespräch mit dem Unbekannten geführt werden konnte,  bekam Chandron eine dringende Nachricht seines Großvaters. Unverzüglich machte er sich mit dem nächsten Eilkurier auf nach Celarion. So verpaßte er sowohl die Entlassung des Unbekannten aus dem Arrestbereich als auch den kurz darauf stattfindenden romulanischen Überfall.

Diesmal lief die Landung auf Celarion deutlich unspektakulärer ab. Die Reise über eine gesicherte Allianz-Verbindung ersparte Chandron den Abwurf per Schleudersitz. Als er endlich auf dem Familienanwesen ankam, wurde er ungeduldig ins Haus gerufen. Ohne sich lange mit einer Begrüßung aufzuhalten, schilderte Noreth S`Garrath seinem Enkel das aktuelle Problem.

„Ich zeige Dir hier das Bild eines angeblich freien Waffenhändlers, der krampfhaft versuchte, seine Verbindungen zum Durass-Clan zu verbergen. Durch irgendeine Leckstelle hat er von den aktuellen Waffentests auf Noldan erfahren und versuchte dort, ein Kontingent der neuen Plasmawerfer aufzukaufen.“

Ein durchschnittlich großer Klingone erschien im Projektor. Das fehlgeschlagene Verkaufsgespräch wurde abgespielt und gegen Ende der Aufzeichnung von zusätzlichen Hintergrundinformationen über den Klingonen, die von ihm gewünschten Waffen und seine derzeitige Reiseroute ergänzt. Nachdem die Projektion erloschen war, herrschte einige Minuten lang Schweigen im Raum. Schließlich ergriff Chandron das Wort.

„Was genau erwartest Du jetzt von mir ?“

„Aufgrund Deiner Fähigkeiten bist Du eine der am Besten geeigneten Personen, um die potentielle Gefahr durch dieses Individuum und seine Tätigkeiten einzuschätzen. Abgesehen davon bin ich durch das Informationsleck in der Waffenentwicklung nicht mehr sicher, ob ich dem noldanischen Geheimdienst in dieser Angelegenheit noch Vertrauen schenken kann.“ Noreth sah seinen Enkel unglücklich an.

„Ich weiß einfach nicht mehr, wie ich mit dieser Situation umgehen soll. Irgendwie hatte ich gehofft, daß Du eine bessere Idee hast, um dieser Lage Herr zu werden, aber außer weiterer Überwachung dieses Agenten und seiner Kontakte fällt mir nicht allzu viel ein.“

„Gegebenenfalls müßte dieser ´Waffenhändler´ dann auch noch eliminiert werden, nicht wahr?“

„Ich weiß es nicht! Mir fehlen die notwendigen Daten und ich kann einfach kein Vertrauen mehr in unsere Spionageabwehr entwickeln.“ Gequält sah der alte Celarioner auf.

„Es ist das erste Mal in meinem Leben, daß sämtliche Abschirmungen versagt haben. Diese Situation dürfte es nicht geben!“

Chandron überlegte verbissen. Wenn man diesen Agenten irgendwie kaltstellen konnte, sei es durch Mord oder durch den Verlust seiner Glaubwürdigkeit, könnte man eventuell den immer deutlicher zu Tage tretenden inneren Konflikt im klingonischen Reich eindämmen oder wenigstens verzögern. Genaue Überwachung seiner Kontakte könnte vielleicht sogar das noldanische Sicherheitsleck identifizieren. Trotzdem war das genau die Art von Situation, die jedem langjährigen RogueFleet-Mitglied die Galle hochtrieb. Erpressung, Intrigen, Schnüffelei, politischer Mord – alles ekelerregende Tätigkeiten, die man normalerweise den bekannten Machtblöcken überließ.

Noreth wartete verzweifelt auf irgendeine Reaktion seines Enkels. Die widerstreitenden Gefühle, die in Chandron tobten waren für seinen Großvater eindeutig zu erkennen. Das Wissen um die Unabänderbarkeit der Situation und die moralische Zwickmühle, in die Telgans Junge gestürzt worden war, erwies sich zusätzlich zur quälenden Ratlosigkeit und dem Vertrauensverlust in die Allianz als weitere erhebliche Belastung für den  Celarioner.

Endlich hatte Chandron einen Entschluß gefaßt. „In Ordnung, wie verfolge ich unser Problem “

Noreths Erleichterung war fast schon körperlich wahrnehmbar. „Ich habe mir von einigen Freunden eine Privatyacht umbauen lassen. Das Schiff enthält die neuesten Offensiv-, Defensiv- und Sensorsysteme und eine Programmier- und Repliziereinheit für Nanosonden.“

„Wie zuverlässig sind Deine Werftarbeiter?“

„Ich habe das Schiff persönlich mehrfach überprüft und danach in einem Stasisfeld versiegelt.“

„Hast Du noch weitere Daten über diesen Waffenkäufer ?“

„Nichts Wesentliches. Alles, was ich in Erfahrung bringen konnte, wurde schon in den Schiffsrechner eingespeist.“

„Dann mache ich mich besser sofort auf den Weg. Wo finde ich das Schiff?“

Stumm deutete Noreth in den Innenhof und aktivierte mit einigen Gesten im Erfassungsbereich des Computers die Startsequenzen. Fast lautlos glitt die scheinbar feste Oberfläche des Bodenmosaiks nach unten weg. Auf einer verstärkten Metallplattform wurde die unscheinbare Raumyacht ans Tageslicht gehoben. Einige weitere Gesten deaktivierten das Stasisfeld. Chandron schnappte sich sein Gepäck, ließ die Systemchecks durchlaufen und prüfte die Vorräte an Bord. Anschließend ließ er sich von seinem Großvater  in die Bedienung und Besonderheiten des Schiffs einweisen und startete ohne weiter Verzögerung zum letzten bekannten Aufenthaltsort seines Ziels. Noreth blickte dem schnell in den Wolken verschwindenden Schiff beunruhigt hinterher. Als Celarioner befürchtete er das Scheitern der Mission und die entsprechenden Folgen, als Großvater jedoch nagten wesentlich schlimmere Ängste an ihm: Hatte er jetzt endgültig sein letztes Familienmitglied verloren?

Chandron hingegen versuchte zunächst, sämtliche Funktionen seines aktuellen Raumschiffes auszuprobieren und anschließend Anwendungsgebiete für sie zu finden, die ganz sicher nicht von den Konstrukteuren vorgesehen worden waren. Anschließend wurde der einprogrammierte Kurs zum ersten Zielpunkt gelöscht und stattdessen die Intrepid angeflogen. Während der relativ kurzen Reise machte sich Chandron einige Gedanken über seinen neuen Auftrag.Kaum in den Offensivhangars gelandet, wurde das Schiff einigen Präzisionsscans unterzogen, die an zwei Stellen im Antrieb ein Störfeld aufzeigten. Die Demontage der entsprechenden Geräte fördete allerdings nur ein paar Handwaffen und andere Ausrüstungsgegenstände zutage. Die Überprüfung des Hauptspeichers zeigte zwei versteckte Dateien, die auf diese Verstecke hinwiesen und sich erst dann entschlüsseln sollten, wenn der erste Zielpunkt der ursprünglich einprogrammierten Route erreicht worden war. Chandron bekam langsam ein immer stärker werdendes ungutes Gefühl bei der Sache. Auch der Inhalt der Verstecke mußte einige Scans über sich ergehen lassen und zeigte endlich den wahren Grund, warum der noldanische Maulwurf das Schiff nicht manipuliert hatte: Die Waffen würden beim Abfeuern explodieren, sofern ihre Zielerfassungssysteme das DNA-Muster des gesuchten Waffenkäufers erfaßt hatten. Diese Erkenntnis engte zumindest den Kreis der Verdächtigen stark ein. Um vor weiteren Überraschungen sicher zu sein, ersetzte Chandron die Innereien seines Schiffs durch modifizierte RogueFleet-Technik. Glücklicherweise reduzierte die Allianz-Standardisierung die hierbei anfallenden Umbauarbeiten auf ein absolutes Minimum. Statt des ursprünglichen Betriebssystems wurden lediglich die auftragsrelevanten Daten kopiert und in einen gesicherten Bereich des neuen Hauptcomputers eingespeist. Einige Gespräche mit Shuq´tep´h später erklärte sich der Xarellianer bereit, die ausgebauten Maschinen und Computer auf weitere Manipulationen und zugehörige DNA-Spuren zu untersuchen. Nachdem sich Chandron wieder auf die Reise begeben hatte, dachte Shuq´tep´h noch lange über die Situation und ihre Konsequenzen nach. Zeitgleich waren auch Noreth und Chandron mit ähnlichen Gedanken beschäftigt. Während der alte Celarioner sich vorsichtig gegen weiteren Verrat absicherte und dessen Quelle suchte, beschäftigte sich sein Enkel mit den Akten sämtlicher am Bau des Schiffes beteiligter Personen inklusiver Zulieferer und Unterstützungspersonal, Maschinendesigner und Reinigungskräften. Die Durchsicht dieser trockenen Datenpakete war weder unterhaltsam noch von irgendeinem Ergebnis gekrönt. Frustriert verbannte Chandron sämtliche aufgenommenen Fakten ins Unterbewußtsein und versuchte stattdessen, den Kreis der am Bau des Schiffes und der Planung des Auftrags beteiligten Personen mit Hilfe der Sicherheitslogs zu reduzieren.

Wieder nichts.

Keiner der Beteiligten zeigte beim Verlassen des Sicherheitsbereiches abzüglich der Toleranz durch Nahrungsaufnahme und Stoffwechsel im Vergleich zu den beim Betreten des Bereiches aufgenommenen Daten irgendwelche auffälligen Gewichtsverluste oder Änderungen im energetischen Niveau. Dennoch mußte irgend jemand die versteckten Waffen entweder eingeschmuggelt oder vor Ort – unter den Augen aller anderen – manipuliert haben. Die Sicherheitslogs zu manipulieren hätte dermassen viele Spuren hinterlassen und Alarme ausgelöst, daß auch diese Art der Verschleierung ausgenommen werden konnte.

Langsam machte sich die Müdigkeit bemerkbar. Entnervt und ausgelaugt beendete Chandron die Suchprogramme, kontrollierte noch einmal Kurs, Autopilot und Position und legte sich dann schlafen. Auch der nächste Tag brachte keine neuen Erkenntnisse. Gegen Nachmittag hatte Chandron endgültig genug von den ebenso langweiligen wie nutzlosen Datenbanken. Frustriert kopierte er die Dateien, fügte noch einige persönliche Kommentare hinzu und schickte die komplette Sammlung komprimiert und verschlüsselt über die RogueFleet-Kanäle an Noreth und Shuq´tep´h. Die Beiden hatten ohnehin unbeschränkten Zugang zu den Originaldaten und den zugehörigen Netzwerken, sodaß Chandron sich voll auf seinen Auftrag konzentrieren konnte.

Der weitere Flug verlief vollkommen ereignislos. Chandron hatte mehr als genug Zeit, einige unterhaltsame Programme in die Antriebssysteme einzuspeisen, um bei eventuellen Kampfhandlungen möglichst unvorhersehbare Flugmanöver ausführen zu können.

Auf Celarion und an Bord der Intrepid wühlten sich zwei höchst unterschiedliche Individuen durch die von Chandron abgeschickten Daten. Noreth entdeckte in den Ausführungen seines Enkels nichts wesentlich Neues, ackerte dennoch sämtliche Listen bis zum Ende durch und notierte sich hin und wieder einige Auffälligkeiten zwecks weiterer Nachforschungen. Shuq´tep´h hingegen konzentrierte sich mehr auf die Tatsache, daß nichts Verdächtiges zu finden war und verlegte seine Bemühungen auf diesen recht erstaunlichen Umstand. Die Untersuchung der Waffen gab schließlich den ersten Ansatz zur Lösung des Mysteriums. Anstatt - wie in der ursprünglichen Programmierung vorgesehen - den Abschuß nur dann zuzulassen, wenn das anvisierte Opfer mit der Zielperson identisch ist - wurde durch eine Fehlfunktion in drei separaten Logikschaltkreisen die Waffenenergie ungerichtet und unreguliert in den Emitter entladen, der zeitgleich gegenpolarisiert wurde. Das Ergebnis war eine gegen den Nutzer der Waffe gerichtete Pulsentladung, die auch bei Verwendung von individueller Körperpanzerung unbedingt tödlich wirken musste. Allerdings zeigten die Aufzeichnungen über die auf Noldan durchgeführten Funktionstests der Waffe das erwünschte - und nicht das aktuelle - Verhalten des Tötungsinstruments. Nach mehreren vergeblichen Durchsuchungen der Produktionsnachweise kam Noreth auf die Idee, nicht die Programmierung der Waffen zu prüfen, sondern den Zustand der betroffenen Schaltkreise. Hier zeigte sich, daß die manipulierten Funktionen auf Fehler im Material der Schaltelemente zurückzuführen waren. Offenbar hatten sich an den für eine Sabotage der Mission erforderlichen Stellen im Logikgatter genau die ´passenden´Stellen unter Einfluß vom Luftsauerstoff langsam zersetzt. Ein Molekularscan förderte die überraschende Tatsache zutage, daß diese Stellen in der Kristallschicht mit aggressiv wirkenden Atomen dotiert worden war, während der Rest des Schaltkreises in normaler Weise gefertigt worden war. Sofort verlegte man seinen Aufmerksamkeitsbereich auf die entsprechende Zulieferfirma.

Sowohl die Datenbanken der Fertigungsstätten als auch die Aufzeichnungen über die administrativen Kommunikationskanäle und die privaten Nachrichtensysteme wurden angefordert und nach passenden Informationen durchsucht.

Nach weiteren, todlangweiligen Stunden am Terminal konnte man den Kreis der Verdächtigen auf vier Personen reduzieren. Mit den mühsam zusammengetragenen Indizien machte sich Noreth wohlbewaffnet auf den Weg zur fraglichen Produktionsstätte. Aufgrund seines Rufs und seines hohen Rangs innerhalb der Waffengilde konnte er einen Gesprächstermin mit dem stellvertretenden Leiter der Anlage, Talnir F´Suln vereinbaren und die Besprechung unter vollwertigem Abhörschutz durchführen.

Es dauerte recht lang, F´Suln von der Authentizität der Indizien zu überzeugen, da dieser von den Sicherheitsmassnahmen der Produktionsstätte äußerst überzeugt war, schließlich siegte aber doch die Sachlage über die persönliche Sichtweise. Die Sicherheitslücke im Prüfsystem, das die Endprodukte nur auf Software- und Nanosondenmanipulationen hin untersuchte, würde entsprechend erweitert werden, sobald der oder die feindlichen Agenten entlarvt worden waren.

 

.......TO BE CONTINUED ......................................

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